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Beelitz

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© MIK BB

Ein Polizeirevier wo früher Kinder turnten

Im Polizeirevier Beelitz gingen viele Bürgerinnen und Bürger einst zur Schule, auch ein Amtsgericht war schon einmal dort untergebracht. Anfang der 1990er wurde es belagert – von den Medien und von Skinheads

von Josefin Roggenbuck und Stephan Henke

Dass Lehrerinnen und Lehrer in ihrer ehemaligen Schule später selbst arbeiten, das ist ein nicht ganz unübliches Phänomen. Dass aber Polizistinnen oder Polizisten in ihrer einstigen Schule schuften, das dürfte wohl eine große Ausnahme sein. Petra Anders ist eine dieser seltenen Ausnahmen, seit sie im Reviergebäude der Beelitzer Polizei arbeitet. „Die Mädchentoiletten gab es damals schon, die heutige Herrentoilette mit dem Umkleideraum war damals unser Klassenzimmer auf dieser Etage“, erinnert sich Anders beim Ortsbesuch in Beelitz, der ehemalige Gerichtssaal, ein großer Raum im ersten Obergeschoss mit Kassettendecke, war früher die Sporthalle. „Vier, fünf Jahre lang war der große Raum nach unserem Einzug mit der Polizei noch der Turnraum der Schule, die kamen also im laufenden Polizeibetrieb und haben hier Sport gemacht“, erzählt Mathias Tänzer, der ab dem 1. Januar 1991 der erste Revierleiter in Beelitz war und sich noch gut an die Anfangszeit erinnert.

Damals übernahm die Polizei das Gebäude, das von 1982 ab eine Grundschule war. Ursprünglich wurde es 1912 als Amtsgericht gebaut, 1945 zog die Landwirtschaftliche Berufsschule ein, wovon noch heute ein Schriftzug am Polizeigebäude zeugt. Kurz nach der Wende wurde es schließlich zum Polizeirevier. „Weil wir keinen Gewahrsam hatten, saßen die Gefangenen mit Handschellen am Gitter der Treppe“, erinnert sich Tänzer.

So war es auch Anfang der 90er, als Tänzer und seine Kollegen „zwei Möchtegern-Skinheads“ nach einer Kneipenschlägerei mitgenommen hatten. „Während wir die Unterlagen fertiggemacht haben, flogen von vorne plötzlich Pflastersteine durch die Fenster, die damals noch aus ganz normalem Glas waren. Vor der Tür hatten sich zehn, 15 Leute versammelt und haben gefordert, dass ihre beiden Kumpels wieder freigelassen werden. Mit meinem Kollegen stand ich dann mit der Kalaschnikow auf dem Treppenabsatz. Wir mussten ja auf Verstärkung warten“, erzählt er. Später seien dann die Kollegen vom Einsatzzug gekommen und hätten die Störer entfernt. Ein Kollege habe aufgrund der akuten Gefahrensituation einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Tänzer ist ein Quell solcher Anekdoten aus der Anfangszeit. „Ich war mal hier für ein Vierteljahr vielleicht der gefragteste Wachenleiter deutschlandweit, denn in Beelitz saß Erich Honecker.“ Honecker, unter anderem von 1976 bis 1989 Vorsitzender des Staatsrats der DDR und damit wichtigster Politiker des Landes, hatte sich nach dem Mauerfall zwischen April 1990 und März 1991 in die russische Kaserne zurückgezogen. „Hier saß alle 50 Meter an der Straße ein Bild-Fotograf auf der Leiter und hat darauf gewartet, ein Foto von ihm zu machen. Einem Reporter ist es gelungen, ein Foto zu schießen, wie er dort spazieren geht. Es gibt Gerüchte, dass der das Foto für 150.000 D-Mark verkaufen konnte“, erzählt Tänzer. Einmal die Woche sei der russische Kommandeur zur Besprechung gekommen, „ich musste den Medien immer wieder erklären: Geht ihr über den Zaun, erschießen die euch“.

Tänzer ist inzwischen pensioniert, seit 2020 ist Rolf Mauersberger Leiter des Reviers, das er vor allem innen optisch ansprechend findet. „Selbst Besucher, die eigentlich gar nichts mit der Polizei zu tun haben möchten, kommen hierher und möchten eine Führung. Für die Stadt ist das Gebäude hier ein Kulturgut“, sagt der 48-Jährige. Die Begeisterung für die Architektur des Hauses ist Mauersberger beim Gang durch die Räume anzumerken, „die besonderen Wandmalereinen und der restaurierte Gerichtssaal sind in unserer Region noch etwas Besonderes und ebenso eine Augenweide“, sagt er. Im digitalen Stadtrundgang der Stadt Beelitz heißt es über das Polizeirevier: „Das Gebäude, eines der repräsentativsten Jugendstilbauwerke der Stadt, zeichnet sich besonders durch sein üppig ausgestattetes Treppenhaus aus. Besonders auffällig sind hier die floralen Jugendstilelemente der Treppengeländer, die Wandbemalungen sowie die kunstvollen Keramikarbeiten.“

Wobei der Denkmalschutz auch seine Probleme mit sich bringe und das Haus Mauersbergers Meinung nach nicht unbedingt den polizeilichen Anforderungen entspreche, weshalb er sich für die Zukunft eine Verbesserung der Situation – am liebsten in einem neuen Gebäude – erhofft. Auch Mathias Tänzer sagt: „Ich war immer der Meinung, dass dieses Haus zwar sehr schön, aber für polizeiliche Zwecke völlig ungeeignet ist. Alles was hier notwendig wäre, ist durch Denkmalschutz nicht möglich.“ So gebe es beispielsweise keine Gästetoiletten im Wartebereich, ein behindertengerechter Zugang fehlt ebenfalls, zudem ist das Gebäude äußerst hellhörig. „An diesem Punkt bin ich wirklich dankbar für das Improvisationstalent meiner Kolleginnen und Kollegen und deren Geduld im Leben. Ich weiß aber um die Bemühungen der Behörde und des BLB, um hier möglicherweise Abhilfe zu schaffen“, sagt Mauersberger.

Die Lage ist dagegen ein großer Pluspunkt des ehemaligen Amtsgerichtsgebäudes. „Die Nähe zur Schule wird von den Bürgerinnen und Bürgern sehr positiv gesehen, da morgens sehr oft unsere Kollegen am Schulweg stehen und für Sicherheit und Aufklärung sorgen“, erzählt der Revierleiter, der für acht Revierpolizistinnen und -polizisten sowie  22 im Wach- und Wechseldienst zuständig ist. Dazu sind noch 28 Kolleginnen und Kollegen der Verkehrspolizei im Gebäude untergebracht, die für 200 Kilometer Autobahn zuständig sind.

Die Nähe zu den Bundesautobahnen 2, 9, 10 und 115 spiegelt sich auch in der Art der Delikte wider, „reisende Straftäter“ seien hier nicht selten. Und seit längerem sei ein Phänomen, dass Bauschutt von Baustellen aus Berlin in den Wäldern des Speckgürtels verklappt würde. „Da sind wir hinterher, dass wir versuchen, möglichst jeden Dreckhaufen soweit auseinanderzurupfen, dass wir auch die Verursacher feststellen können, das ist so eine kleine Herzenssache von unserem Revier. Wir finden Adressen in den Schutthaufen und gehen der Sache nach, da bekomme ich ein bisschen Gänsehaut“, sagt Mauersberger mit viel Enthusiasmus.

Im Polizeirevier Beelitz gingen viele Bürgerinnen und Bürger einst zur Schule, auch ein Amtsgericht war schon einmal dort untergebracht. Anfang der 1990er wurde es belagert – von den Medien und von Skinheads

von Josefin Roggenbuck und Stephan Henke

Dass Lehrerinnen und Lehrer in ihrer ehemaligen Schule später selbst arbeiten, das ist ein nicht ganz unübliches Phänomen. Dass aber Polizistinnen oder Polizisten in ihrer einstigen Schule schuften, das dürfte wohl eine große Ausnahme sein. Petra Anders ist eine dieser seltenen Ausnahmen, seit sie im Reviergebäude der Beelitzer Polizei arbeitet. „Die Mädchentoiletten gab es damals schon, die heutige Herrentoilette mit dem Umkleideraum war damals unser Klassenzimmer auf dieser Etage“, erinnert sich Anders beim Ortsbesuch in Beelitz, der ehemalige Gerichtssaal, ein großer Raum im ersten Obergeschoss mit Kassettendecke, war früher die Sporthalle. „Vier, fünf Jahre lang war der große Raum nach unserem Einzug mit der Polizei noch der Turnraum der Schule, die kamen also im laufenden Polizeibetrieb und haben hier Sport gemacht“, erzählt Mathias Tänzer, der ab dem 1. Januar 1991 der erste Revierleiter in Beelitz war und sich noch gut an die Anfangszeit erinnert.

Damals übernahm die Polizei das Gebäude, das von 1982 ab eine Grundschule war. Ursprünglich wurde es 1912 als Amtsgericht gebaut, 1945 zog die Landwirtschaftliche Berufsschule ein, wovon noch heute ein Schriftzug am Polizeigebäude zeugt. Kurz nach der Wende wurde es schließlich zum Polizeirevier. „Weil wir keinen Gewahrsam hatten, saßen die Gefangenen mit Handschellen am Gitter der Treppe“, erinnert sich Tänzer.

So war es auch Anfang der 90er, als Tänzer und seine Kollegen „zwei Möchtegern-Skinheads“ nach einer Kneipenschlägerei mitgenommen hatten. „Während wir die Unterlagen fertiggemacht haben, flogen von vorne plötzlich Pflastersteine durch die Fenster, die damals noch aus ganz normalem Glas waren. Vor der Tür hatten sich zehn, 15 Leute versammelt und haben gefordert, dass ihre beiden Kumpels wieder freigelassen werden. Mit meinem Kollegen stand ich dann mit der Kalaschnikow auf dem Treppenabsatz. Wir mussten ja auf Verstärkung warten“, erzählt er. Später seien dann die Kollegen vom Einsatzzug gekommen und hätten die Störer entfernt. Ein Kollege habe aufgrund der akuten Gefahrensituation einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Tänzer ist ein Quell solcher Anekdoten aus der Anfangszeit. „Ich war mal hier für ein Vierteljahr vielleicht der gefragteste Wachenleiter deutschlandweit, denn in Beelitz saß Erich Honecker.“ Honecker, unter anderem von 1976 bis 1989 Vorsitzender des Staatsrats der DDR und damit wichtigster Politiker des Landes, hatte sich nach dem Mauerfall zwischen April 1990 und März 1991 in die russische Kaserne zurückgezogen. „Hier saß alle 50 Meter an der Straße ein Bild-Fotograf auf der Leiter und hat darauf gewartet, ein Foto von ihm zu machen. Einem Reporter ist es gelungen, ein Foto zu schießen, wie er dort spazieren geht. Es gibt Gerüchte, dass der das Foto für 150.000 D-Mark verkaufen konnte“, erzählt Tänzer. Einmal die Woche sei der russische Kommandeur zur Besprechung gekommen, „ich musste den Medien immer wieder erklären: Geht ihr über den Zaun, erschießen die euch“.

Tänzer ist inzwischen pensioniert, seit 2020 ist Rolf Mauersberger Leiter des Reviers, das er vor allem innen optisch ansprechend findet. „Selbst Besucher, die eigentlich gar nichts mit der Polizei zu tun haben möchten, kommen hierher und möchten eine Führung. Für die Stadt ist das Gebäude hier ein Kulturgut“, sagt der 48-Jährige. Die Begeisterung für die Architektur des Hauses ist Mauersberger beim Gang durch die Räume anzumerken, „die besonderen Wandmalereinen und der restaurierte Gerichtssaal sind in unserer Region noch etwas Besonderes und ebenso eine Augenweide“, sagt er. Im digitalen Stadtrundgang der Stadt Beelitz heißt es über das Polizeirevier: „Das Gebäude, eines der repräsentativsten Jugendstilbauwerke der Stadt, zeichnet sich besonders durch sein üppig ausgestattetes Treppenhaus aus. Besonders auffällig sind hier die floralen Jugendstilelemente der Treppengeländer, die Wandbemalungen sowie die kunstvollen Keramikarbeiten.“

Wobei der Denkmalschutz auch seine Probleme mit sich bringe und das Haus Mauersbergers Meinung nach nicht unbedingt den polizeilichen Anforderungen entspreche, weshalb er sich für die Zukunft eine Verbesserung der Situation – am liebsten in einem neuen Gebäude – erhofft. Auch Mathias Tänzer sagt: „Ich war immer der Meinung, dass dieses Haus zwar sehr schön, aber für polizeiliche Zwecke völlig ungeeignet ist. Alles was hier notwendig wäre, ist durch Denkmalschutz nicht möglich.“ So gebe es beispielsweise keine Gästetoiletten im Wartebereich, ein behindertengerechter Zugang fehlt ebenfalls, zudem ist das Gebäude äußerst hellhörig. „An diesem Punkt bin ich wirklich dankbar für das Improvisationstalent meiner Kolleginnen und Kollegen und deren Geduld im Leben. Ich weiß aber um die Bemühungen der Behörde und des BLB, um hier möglicherweise Abhilfe zu schaffen“, sagt Mauersberger.

Die Lage ist dagegen ein großer Pluspunkt des ehemaligen Amtsgerichtsgebäudes. „Die Nähe zur Schule wird von den Bürgerinnen und Bürgern sehr positiv gesehen, da morgens sehr oft unsere Kollegen am Schulweg stehen und für Sicherheit und Aufklärung sorgen“, erzählt der Revierleiter, der für acht Revierpolizistinnen und -polizisten sowie  22 im Wach- und Wechseldienst zuständig ist. Dazu sind noch 28 Kolleginnen und Kollegen der Verkehrspolizei im Gebäude untergebracht, die für 200 Kilometer Autobahn zuständig sind.

Die Nähe zu den Bundesautobahnen 2, 9, 10 und 115 spiegelt sich auch in der Art der Delikte wider, „reisende Straftäter“ seien hier nicht selten. Und seit längerem sei ein Phänomen, dass Bauschutt von Baustellen aus Berlin in den Wäldern des Speckgürtels verklappt würde. „Da sind wir hinterher, dass wir versuchen, möglichst jeden Dreckhaufen soweit auseinanderzurupfen, dass wir auch die Verursacher feststellen können, das ist so eine kleine Herzenssache von unserem Revier. Wir finden Adressen in den Schutthaufen und gehen der Sache nach, da bekomme ich ein bisschen Gänsehaut“, sagt Mauersberger mit viel Enthusiasmus.


  • Bild: Grundriss des ehemaligen Amtsgerichtes Beelitz
    © MIK BB

    Grundriss vom Amtsgericht

    Das Reviergebäude wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als Amtsgericht gebaut.

  • Bild: Gebäudeansicht Polizeirevier Beelitz mit Schriftzug Landwirtschaftliche Berufsschule
    © MIK BB

    Schriftzug "Landwirtschaftliche Berufsschule"

    Im Jahr 1945 zog die Landwirtschaftliche Berufsschule in das Gebäude des Amtsgerichtes Beelitz ein. Davon zeugt noch heute ein Schriftzug am Polizeigebäude.

  • Bild: Gebäude mit Jugendstilelementen
    © MIK BB

    Jugendstilelemente

    Das Gebäude weist Elemente im Jugendstilbau auf. Besonders hervorzuheben sind die
    floralen Jugendstilelemente der Treppengeländer, die Wandbemalungen und die kunstvollen Keramikarbeiten.

  • Bild: Porträt des ersten Revierleiters
    © MIK BB

    Erster Revierleiter

    Mathias Tänzer war ab dem 1. Januar 1991 der erste Revierleiter in Beelitz.

  • Bild: Porträt des derzeitigen Revierleiters
    © MIK BB

    Derzeitiger Revierleiter

    Rolf Mauersberger ist seit dem Jahr 2020 der Revierleiter in Beelitz.

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