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„Den Widerstand in die Betriebe tragen“

Rechtsextremistische Strategien zur Unterwanderung von Betriebsräten

- Erschienen am 23.05.2018 - Presemitteilung Verfassungsschutz (Meldungen)

Potsdam – Rechtsextremisten sind seit jeher darum bemüht, mit ihrer Weltanschauung in den vorpolitischen Raum vorzudringen. Neben dem „Kampf um die Parlamente", wie es die NPD einmal beschrieben hat, geht es Rechtsextremisten insbesondere auch um den „Kampf um die Köpfe". Ziel ist, den politischen Diskurs bereits auf den untersten Ebenen zu beeinflussen: in der Nachbarschaft, im Sportclub, im Heimatverein, bei der Feuerwehr oder im Elternbeirat der Schule. Rechtsextremisten gehen dabei durchaus strategisch und planvoll vor. Ihre Strategie wurde kürzlich um ein zusätzliches Element erweitert. Sie versuchen, als Betriebsräte Einfluss auf die Belegschaft und das direkte Arbeitsumfeld zu nehmen, um eine neue Machtbasis in den Unternehmen aufzubauen. Durch Gewerkschaftsarbeit wollen die Verfassungsfeinde ihr Image als „Kümmerer" und „Sprachrohr der kleinen Leute" pflegen. Das Engagement in den Betrieben dient als weiterer Baustein, um sich im Rahmen der „Graswurzel-Strategie" eine neue Klientel zu erschließen.

Ganz neu ist das nicht. Bei der Daimler AG in Stuttgart (Baden-Württemberg) stieg beispielsweise der ehemalige Gitarrist der rechtsextremistischen Band „Noie Werte", Oliver Hilburger, bereits im Jahr 2010 zum Betriebsrat auf. Seit der letzten Wahl 2018 ist seine Gewerkschaft „Zentrum Automobil e.V." – die Kandidaten aufbietet, die unter anderem Mitglied der verbotenen neonationalsozialistischen Organisation „Wiking-Jugend" waren oder sich in der Skinhead-Truppe „Kreuzritter für Deutschland" engagierten – mit sechs Betriebsräten im Daimler-Werk vertreten.

Dass es rechtsextremistischen Gewerkschaftern wie Hilburger nicht unbedingt um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, höhere Löhne oder die Stärkung von Arbeitnehmerrechten geht, machte er bei einem Auftritt am 25. November 2017 bei der „6. Compact-Konferenz" in Leipzig (Sachsen) deutlich. In seiner Rede forderte er, sich die polnische Gewerkschaft Solidarność zum Vorbild zu nehmen: „Die Leute sind auf die Straße gegangen, die haben sich eingereiht, die haben ein System zu Fall gebracht – und deswegen müssen wir in den Betrieben aktiv werden."

Nichts Geringeres als der Sturz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird durch die rechtsextremistischen Gewerkschaften eingefordert. Auch der Verein Ein Prozent", der eng mit der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung" verwoben ist, wirbt seit kurzem für ihre Kampagne „Werde Betriebsrat".

Gezielt sollen Rechtsextremisten mit Schulungen und Seminaren auf die Betriebsratswahlen vorbereitet werden. Simon Kaupert, Mitglied der Identitären Bewegung und Aktivist bei „Ein Prozent", der bereits am 19. März 2016 bei einer Demonstration des Vereins „Zukunft Heimat" in Lübbenau (OSL) als Redner auftrat, versprach in seiner Ansprache auf der „Compact-Konferenz": „Wir werden geeignete Kandidaten bis zu den kommenden Betriebsratswahlen logistisch, finanziell und juristisch unterstützen. Wir werden ihnen den Rücken stärken, damit sie wieder den Arbeitern den Rücken stärken. Und was ganz besonders wichtig ist: Jeder Patriot, der wegen einer abweichenden Meinung seine Arbeitsstelle verloren hat, kann nun über einen Betriebsrat in seiner Firma endlich für Gerechtigkeit sorgen."

Rechtsextremistisch beeinflusste Betriebsräte könnten somit schon bald zum Alltag in deutschen Unternehmen gehören und Gewerkschafter, Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen im Ringen um die Deutungshoheit in unserer pluralistischen Gesellschaft stellen.