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AfD, Zukunft Heimat, ein Gast aus Sachsen und ein gelber Stern

- Erschienen am 13.05.2020

Es ist Sinn und Zweck der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, für alle Bürgerinnen und Bürger die Voraussetzungen zu schaffen, politische Entscheidungen zu hinterfragen, sie zu diskutieren, abzulehnen oder zu befürworten. Das gilt umso mehr, wenn in außergewöhnlichen Situationen schwierige Entscheidungen zu treffen sind. Zweifelsohne ist die Corona-Pandemie so eine Situation. Im Umgang mit ihr gibt es praktisch keine Erfahrungen, die unsere Gesellschaft abrufen könnte. Trotzdem mussten in den letzten Wochen zahlreiche Maßnahmen ergriffen werden, um die Menschen zu schützen und das Gesundheitssystem vor einem Zusammenbruch durch Überlastung zu bewahren. Wenn die aktuelle Corona-Krise überwunden ist und die Dinge analysiert sowie bewertet wurden, verfügen wir über neugewonnene Erkenntnisse. Dieser Lernprozess wird helfen, zukünftige Ereignisse dieser oder ähnlicher Art zu bewältigen.

In der Demokratie trennt sich die Spreu vom Weizen oft schon durch die Art und Weise der Debattenführung. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte der Verein "Zukunft Heimat" einen Kundgebungsaufruf unter dem Motto "COVID-1984". In den Sozialen Medien wurde er von der AfD übernommen. Dort steht: "Covid-19 ist kein medizinisches, sondern ein politisches Problem." Allein in Deutschland ist die Pandemie aktuell für über 7.500 Tote und etwa 170.000 Infizierungen verantwortlich. Das nicht als medizinisches Problem erkennen zu können oder zu wollen, ist für sich betrachtet kein Verstoß gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Schließlich gilt die ebenso für intellektuell Herausgeforderte. Die Grenze zum Extremismus wird aber überschritten, wenn Äußerungen auf die Verächtlichmachung unserer Demokratie abzielen.

Bereits am 5. Mai 2020 fand die erste "COVID-1984"-Kundgebung mit maßgeblicher AfD-Beteiligung in Cottbus statt. Auftaktredner war Wolfgang Taufkirch, ein PEGIDA-Aktivist aus Sachsen. Er erklärte: "Damals Ermächtigungsgesetz, heute Außerkraftsetzung unserer Grundrechte". Mit dem Ermächtigungsgesetz wurde die Demokratie in Weimar vollständig abgeschafft. Alles, was danach im Dritten Reich geschah, beruhte auf diesem Gesetz. Es war also die Grundlage für Konzentrationslager, die industrielle Judenvernichtung, Angriffskriege mit Millionen Toten und noch vieles mehr. Die Corona-Schutzmaßnahmen sollen Leben retten und das Gesundheitssystem vor dem Kollaps bewahren. Eine Gleichsetzung von aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen mit dem Ermächtigungsgesetz ist dumm, geschichtsvergessen und gefährlich. So eine Äußerungen zielt tatsächlich darauf ab, unsere Demokratie verächtlich zu machen. Es ist die Rhetorik von Extremisten.

Auf Taufkirch folgte der AfD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Vereins "Zukunft Heimat", Christoph Berndt. Der hätte durchaus die extremistische Einlassung seines Vorredners korrigieren können. Tat er aber nicht. Vielmehr redete er - unterbrochen von Zwischenrufen wie "Volksverräterbande" - von der "neuen Normalität des Überwachungsstaates", von "gewissenloser Panikmache", vom "Angriff auf unsere bürgerlichen Freiheiten", von "Entdemokratisierung" und vom "Zwangsstaat". Politiker hätten "diese Covid-Erkrankung gekapert und sie setzen sie zielgerichtet ein, um Interessen durchzusetzen, die überhaupt nichts mit unserer Gesundheit zu tun haben." Als Beispiel nannte er unter anderem die "bösartige Verschärfung des Bußgeldkataloges für Autofahrer im Straßenverkehr, die im Schatten dieser Corona-Krise heimlich still und leise durchgesetzt wurde." Am Ende schloss eine Rednerin mit Sätzen wie: „Wer jetzt nicht auf die Straße geht, befürwortet Menschenexperimente an sich und seinen Kindern." Was also vor wenigen Wochen von der AfD in Brandenburg zum Schutz der Menschen und zur Eindämmung der Corona-Pandemie an (mittlerweile längst gelockerten) Maßnahmen noch mitgetragen wurde, wird jetzt von ihr in einen Kontext gesetzt, nach dem sich Politiker gegen die Menschen verschworen hätten. Hierbei ist unbedeutend, dass von einer ehemaligen Auffassung abgerückt wurde. Das ist Normalität in politischen Meinungsbildungsprozessen. Vielmehr von Bedeutung ist die verbale Totalität und Aggressivität, die verrohte Rhetorik der Verächtlichmachung.

Ein Journalist berichtete, auf der Demonstration sei das Bild eines gelben Sterns mit der Aufschrift "nicht geimpft" gezeigt worden. Es war das exakte Abbild eines Judensterns. Der musste im Dritten Reich von allen Juden getragen werden und diente der Stigmatisierung sowie Ausgrenzung. Er symbolisierte die vollständige Entrechtlichung. Später folgte die Massenvernichtung der Juden. Der Verfassungsschutz nennt bestimmte Entwicklungen "entgrenzten Rechtsextremismus", weil sich quasi im Vorhof des herkömmlichen Rechtsextremismus eine weit ausgreifende, durchlässige neu-rechte Grauzone gebildet hat. Offenbar ist auch die Schamlosigkeit entgrenzt, wenn solche Bilder gezeigt werden. Ein Kommentator schrieb dazu: "Das Absurdeste an der Geschichte... Sie demonstrieren gegen eine Impfpflicht, die es nicht gibt, mit einem Impfstoff, der noch nicht entwickelt ist."