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Extremistische Siedlungsbestrebungen in Brandenburg – Anastasia-Bewegung als Verdachtsfall eingestuft

- Erschienen am 08.06.2023 - Pressemitteilung Verfassungsschutz (Meldung)

Der brandenburgische Verfassungsschutz hat die Anastasia-Bewegung als Verdachtsfall eingestuft. Dieser Schritt ist damit zu begründen, dass der Behörde hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich bei der Anastasia-Bewegung um eine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung handelt. Die verfassungsfeindlichen Ziele der Anastasia-Bewegung werden in erster Linie in der gleichnamigen Buchreihe „Anastasia“ des russischen Autors Wladimir Nikolaevich Megre deutlich. Die zehn Bände umfassende Schrift legt den ideologischen Grundstein, deren sich die Anastasia-Anhänger verpflichtet sehen. Teile der Bücher sind indes nicht mit dem Demokratie- und Menschenwürdeprinzip des Grundgesetzes vereinbar.

Ein beständiges Element und zugleich der ideologische Kern der Anastasia-Bewegung ist die in den Erzählungen behauptete wedische Herkunft der Hauptperson „Anastasia“. Megre beschreibt in seinen Büchern eine vorchristliche wedische Kultur und gibt Handlungsanweisungen wie dieser gesellschaftliche Idealzustand hergestellt werden kann. Das Demokratieprinzip ist dabei nicht nur kein Teil dieses Idealzustandes, sondern wird vielmehr gezielt diffamiert, indem die Demokratie als Instrument eines Dämons namens „Kratie“ zur Beherrschung der Menschen dargestellt wird:

„‘Du bist ein Dämon, Kratie. Die von dir beabsichtigte Dämonie wird viele Völker beherrschen.‘ ‚Wenn ich Dämon bin, dann sollen in Zukunft die Menschen meine Idee Demokratie nennen“ (Anastasia, Band 8.1, S. 65).

Eine Verletzung des grundgesetzlichen Menschenwürdeprinzips ist beispielsweise in der Hierarchisierung von Geschlechterrollen zu finden. Mit dem Ziel der Abwertung des weiblichen Geschlechts und der Durchsetzung einer rassistischen „Blutreinheit“ wird in Megres Büchern die pseudowissenschaftliche Vererbungslehre der Telegonie verbreitet. Hiernach wird einer Frau durch den ersten sexuellen Kontakt mit einem Mann dessen Bluts- und Geistesstempel aufgedrückt, sodass ein späteres Kind von einem anderen Mann sowohl den Genotyp als auch den Phänotyp des ersten Mannes aufweisen würde. So ist in den Anastasia-Büchern zu lesen:

„Der erste Mann im Leben einer Jungfrau prägt ihr einen Stempel seines Geistes und seines Blutes auf. Er bestimmt ein psychisches und physisches Bild der Kinder vor, die sie gebären wird. Alle anderen Männer, die mit ihr intime Verhältnisse haben werden, um eventuell ein Kind zu zeugen, sind letztlich nur Samenspender und Überträger von Geschlechtskrankheiten. […] Liegt darin vielleicht einer der Hauptgründe für den Verfall der gegenwärtigen menschlichen Gesellschaft?“ (Anastasia, Band 8.2, S. 37).

Ein weiterer ideologischer Kern der Anastasia-Buchreihe ist in der Verbreitung antisemitischer Inhalte auszumachen. Auffällig ist dabei, dass die antisemitischen Stereotype in vielfältiger Form vom Autor vorgetragen werden. So wird beispielsweise Menschen jüdischen Glaubens ein spezifisches Aussehen zugeschrieben. Zudem werden Jüdinnen und Juden dahingehend charakterisiert, dass ihnen ein erheblicher politischer Einfluss als Ergebnis einer vermeintlichen Gier sowie eines daraus abgeleiteten Wohlstandes zu käme.

„Von einem, der nicht sehr reich sei, versuchten sie, wenigstens etwas wegzunehmen, und bei einem Reichen seien sie bestrebt, ihn ganz und gar zu ruinieren. Das bestätigt die Tatsache, dass viele Juden wohlhabend sind und sogar auf die Regierung Einfluss nehmen können“ (Anastasia, Band. 6, S. 174).

Megre schreckt in seinen Büchern nicht einmal davor zurück, Jüdinnen und Juden eine Mitschuld an der menschenverachtenden Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus zu geben. Unter direkter Bezugnahme auf den Holocaust führt Megre in klar geschichtsrevisionistischer Weise aus:

„Es sind sogar Dokumente erhalten geblieben, wie man in den Jahren jenes Krieges Juden […]  in Ofen verbrannt, mit Gas vergiftet und in Gemeinschaftsgräbern lebendig begraben hat. Nicht einer, nicht Hunderte, nicht Tausende Menschen kamen um, es waren Millionen, die in diesem kurzen Zeitraum brutal ermordet wurden. Historiker halten Hitler für schuldig. Aber wer war zu einer anderen Zeit schuld: im Jahr 1113, Kiewer Rus. [...] Da das schon mehr als ein Jahrtausend geschieht, kann man den Schluss ziehen, dass das jüdische Volk vor den Menschen Schuld hat“ (Anastasia, Band 6, S. 172-174).

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass in den Anastasia-Büchern ein Konzept zum gesellschaftlichen Zusammenleben entwickelt wird, welches unter anderem auf möglichst autarke Familienlandsitze setzt. Aus diesem Grund sind die Anhänger der Anastasia-Bewegung bestrebt, derartige Familienlandsitze nach dem Vorbild von Megre zu gründen. Aktuell liegen dem brandenburgischen Verfassungsschutz Erkenntnisse zu fünf derartigen Familienlandsitzen im Land Brandenburg vor. Neben der Bezugnahme auf die verfassungsfeindliche Anastasia-Ideologie weisen einzelne dieser Familienlandsitze personelle und ideologische Vernetzungen in das Spektrum des Rechtsextremismus sowie in das Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter auf. Konsequenterweise gilt es für den brandenburgischen Verfassungsschutz daher, die weiteren Entwicklungen innerhalb der Anastasia-Bewegung aufmerksam zu beobachten.