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"Der Einsatz von Bodycams bei Einsätzen in Wohnungen wäre eine sinnvolle und auch notwendige Erweiterung"

Foto von Innenminister Michael Stübgen im Interview
© MIK
Foto von Innenminister Michael Stübgen im Interview
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Pöbeln, Spucken oder auch Handgreiflichkeiten – Gewalt, die Polizeikräfte immer wieder im Dienstalltag erleben. Ein Blick in die Statistik verrät auch: Die Auseinandersetzungen nehmen zu. Im Vor-Pandemiejahr, das aus Vergleichszwecken herangezogen wird, wurden 2.156 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt. Im vergangenen Jahr waren es 258 Personen mehr. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sprach mit Josefin Roggenbuck über die zunehmende Gewalt gegen die Polizei.


 JR: Herr Stübgen, 1.269 erfasste Fälle, 2.414 Opfer von Gewalt gegenüber Polizeikräften, Tendenz trotz der Pandemiejahre steigend – sollten da nicht die Alarmglocken klingeln?

MICHAEL STÜBGEN, INNENMINISTER: Definitiv, denn Gewalt gegen die Polizei ist in jeder Hinsicht inakzeptabel. Doch bedauerlicherweise haben wir seit Jahren den Trend zu ver-zeichnen, dass Gewalt gegen Polizeikräfte, aber auch gegen Feuerwehrleute, Rettungskräfte und andere Mitarbeitende der Hilfsorganisationen, zunimmt. Das heißt, wir haben es leider mit einer Verrohung in Teilen der Gesellschaft zu tun. Und ich fürchte auch, dass sich dieser Trend nicht von heute auf morgen umkehren lässt.

JR: Sinkt die Hemmschwelle in der Gesellschaft?

MS: Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die wir allerdings nicht nur in Brandenburg, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der westlichen Welt beobachten. Oftmals habe ich auch den Eindruck, dass manche denken, mit der Polizei kannst du machen was du willst. Das ist inakzeptabel und wir werden notfalls mit der Härte des Gesetzes, den hinreichenden Respekt gegenüber unserer Polizei durchsetzen.

JR: Welche Auswirkung hatte Corona auf die Entwicklung der Gewalt gegenüber Polizeikräften?

MS: Wir hatten eine aufgewühlte gesellschaftliche Situation. Nach den ganzen Lockdowns kam der Eindruck auf, und das kann ich auch nachvollziehen, das hört nie auf. Da wurde die Stimmung aggressiver, gerade auf den Montagsdemonstrationen. Diese sind dem Grunde nach ja auch erlaubt, müssen aber angemeldet werden.

JR: Und das passierte nicht?

MS: Gerade dann nicht, wenn politische Ziele dahinterstanden. Bestimmte Parteien haben unangemeldet sogenannte Spaziergänge organisiert – und das an 20, 50, 60 Orten quer im Land gleichzeitig, um das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen. Darauf hat die Polizei wie gewohnt gut und konsequent reagiert. Doch häufig kam es gerade dort zu Auseinandersetzungen und Angriffen gegen die Polizei. Ich kann nur jedem Bürger empfehlen, wenn er Anweisungen von der Polizei bekommt, sollte er ihnen dringend folgen. Beschweren kann man sich dann immer noch. Glücklicherweise hat sich die gesellschaftliche Situation mit dem Ende der Pandemie etwas entspannt.

JR: Welche Stellschrauben gibt es denn, um Gewalt gegen Polizeikräfte zu mindern oder ihnen zur Seite zu stehen?  

MS: Unser Polizeigesetz braucht dafür eine Novellierung, beispielsweise müsste beim Thema Bodycams noch nachgeschärft werden. Allerdings ist eine Novellierung   innerhalb der jetzigen Koalition schwer umsetzbar. Die Notwendigkeit bleibt allerdings bestehen. Außerdem sehe ich es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich gegenüber solchen Entwicklungen stärken abzugrenzen. Da passiert bisher zu wenig.

JR: Welche Rolle spielen die angesprochenen Bodycams?

MS: Bodycams dienen im Wesentlichen drei Zwecken: Sie schützen diejenigen, die für unsere Sicherheit sorgen – also unsere Polizistinnen und Polizisten. Sie dienen der Deeskalation. Denn erste Studien zeigen, dass ein Hinweis auf Videoaufzeichnung bereits genügt, eine gefährliche Situation zu entschärfen. Und sie dokumentieren Einsätze, was für die Strafverfolgung wichtig ist. Bodycams tragen somit dazu bei, dass Gewalt gegenüber Polizeikräften im Vorfeld verhindert werden kann oder zumindest nachträglich geahndet wird.

JR: Bei diesem Thema müsste im Polizeigesetz, sagen Sie, noch nachgeschärft werden. Warum?

MS: Zunächst einmal freue ich mich, dass wir den Einsatz von Bodycams auf rechtlich sichere Füße gestellt haben.  Die Befugnis ist im Brandenburgischen Polizeigesetz verankert, ein Pilotprojekt seit vergangenen Jahr im Einsatz. Damit haben wir einen wesentlichen Beitrag zu einer verbesserten Eigensicherung der Polizeikräfte geleistet. Dennoch, nichts ist so gut, dass man es nicht verbessern könnte. Der Einsatz von Bodycams bei Einsätzen in Wohnungen wäre eine sinnvolle und auch notwendige Erweiterung. In 37 Fällen wurden Polizeikräfte im vergangenen Jahr in der Wohnung angegriffen. Auch wenn davon nur wenige verhindert werden würden, die Bodycam würde unsere Polizistinnen und Polizisten noch besser vor Gewalt schützen.  

JR: Wie sieht es mit einer Null-Toleranz-Strategie aus – wäre die nicht die richtige Wahl?

MS: Eine Null-Toleranz-Strategie haben wir bereits. Wir akzeptieren keine Bedrohung, kein Pöbeln, Spucken oder Gewalt gegen unsere Polizeikräfte. Die Polizei ist jene Institution, die alle Menschen, die in unserem Land leben, vor Gewalt und Verbrechen schützt. Es ist des-halb in keiner Weise hinnehmbar, dass unsere Polizistinnen und Polizisten zu Opfern gewaltsamer Übergriffe werden. Wir können deshalb auch zu Recht von der Gesellschaft erwarten, dass polizeilichen Anweisungen gefolgt wird. Nach meiner Einschätzung müssen wir das nicht verschärfen. Was wir allerdings tun müssen, ist, den Schutz der Polizeikräfte mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verbessern.

JR: Null-Toleranz gegenüber Gewalt gegen Polizeikräfte, Bodycams zum besseren Schutz und wenn doch etwas passiert: Was dann?

MS: Die Polizei unseres Landes bietet verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel die psychosoziale Unterstützung des Polizeiärztlichen Dienstes sowie die Polizeiseelsorge. Wir haben aber auch seit langer Zeit ein Team im Einsatz, das psychosoziale Notfallversorgung übernimmt, kurz das Einsatznachsorgeteam (ENT). Dieses wird auch intensiv in Anspruch g-nommen. Insbesondere nach schwierigen Einsätzen ist es wichtig, frühzeitig das Erlebte aufzuarbeiten. Eine klare Erkenntnis der Psychologie ist, wenn solche Dinge zu lange nagen in einer Seele, dann können sie zu physischen und psychischen Schäden führen.

JR: Sehen Sie da Veränderungen, wird das Einsatz-Nachsorge-Team beispielsweise öfter in Anspruch genommen?

MS: Grundsätzlich bemerke ich, und das halte ich für sehr wichtig, dass unsere jungen Poli-zisten viel häufiger zu den verschiedenen Möglichkeiten greifen, das Erlebte aufzuarbeiten. Früher, in meiner Generation, galt man als Weichei, wenn man sich psychologische Unterstützung geholt hat. Dabei ist es viel stärker, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn die Schäden, wenn man etwas nicht verarbeiten kann, sind in jedem Fall viel größer. Der Trend ist klar: Je jünger die Polizisten, umso häufiger nehmen sie Hilfsmöglichkeiten in Anspruch. Und das unterstützen wir weiterhin sehr.

JR: Hat das Einsatz-Nachsorge-Team dann auch genug Personal, um diesem Trend zu ent-sprechen?

MS: Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich einen Riesenrespekt vor dieser sehr starken, aufopferungsvollen und weitestgehend ehrenamtlichen Arbeit habe. Meist sind es selbst Menschen aus dem Polizei- und Rettungsdienst, die deshalb nur zu gut wissen, worum es geht. Aber wir können diese wichtige Aufgabe nicht nur auf die Schultern des ehrenamtlichen, freiwilligen Engagements stützen.

JR: Wie können die Ehrenamtlichen, die bislang diese schwierige Aufgabe übernehmen, entlastet werden?

MS: Auf lange Sicht ist die psychosoziale Notfallversorgung nicht mehr nur über freiwilliges Engagement abbildbar. Wir müssen mehr geeignete Unterstützungsmöglichkeiten bieten, die die Last vom Ehrenamt nimmt. Nur so können wir dem gestiegenen Bedarf nach Hilfe nachkommen.

JR: Welchen Einfluss hat das Thema Gewalt gegen Polizeikräfte auf junge Leute, die vor der Berufswahl stehen?

MS: In Gesprächen mit angehenden Polizeikräften habe ich gemerkt, dass die bei ihrer Entscheidung, Polizist werden zu wollen, sehr wohl und genau wissen, dass sie einen Beruf erlernen, der nicht vergleichbar ist mit anderen. Wenn andere fliehen, sind sie da, um zu helfen. Vor dieser Berufswahl habe ich größten Respekt.

JR: Dennoch konstatieren Sie eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft. Will man unter solchen Umständen überhaupt noch Polizist werden?

MS: Dass sich der Einfluss von Gewalt gegen Polizeikräfte negativ auf die Nachwuchsgewinnung auswirkt, ist bislang nicht bekannt. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass wer sich für den Polizeiberuf entscheidet, einer inneren Überzeugung und dem Wunsch folgt, zu dienen und zu schützen, mit all den Risiken und Gefahren, die mit dem Beruf einhergehen.

Pöbeln, Spucken oder auch Handgreiflichkeiten – Gewalt, die Polizeikräfte immer wieder im Dienstalltag erleben. Ein Blick in die Statistik verrät auch: Die Auseinandersetzungen nehmen zu. Im Vor-Pandemiejahr, das aus Vergleichszwecken herangezogen wird, wurden 2.156 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt. Im vergangenen Jahr waren es 258 Personen mehr. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sprach mit Josefin Roggenbuck über die zunehmende Gewalt gegen die Polizei.


 JR: Herr Stübgen, 1.269 erfasste Fälle, 2.414 Opfer von Gewalt gegenüber Polizeikräften, Tendenz trotz der Pandemiejahre steigend – sollten da nicht die Alarmglocken klingeln?

MICHAEL STÜBGEN, INNENMINISTER: Definitiv, denn Gewalt gegen die Polizei ist in jeder Hinsicht inakzeptabel. Doch bedauerlicherweise haben wir seit Jahren den Trend zu ver-zeichnen, dass Gewalt gegen Polizeikräfte, aber auch gegen Feuerwehrleute, Rettungskräfte und andere Mitarbeitende der Hilfsorganisationen, zunimmt. Das heißt, wir haben es leider mit einer Verrohung in Teilen der Gesellschaft zu tun. Und ich fürchte auch, dass sich dieser Trend nicht von heute auf morgen umkehren lässt.

JR: Sinkt die Hemmschwelle in der Gesellschaft?

MS: Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die wir allerdings nicht nur in Brandenburg, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der westlichen Welt beobachten. Oftmals habe ich auch den Eindruck, dass manche denken, mit der Polizei kannst du machen was du willst. Das ist inakzeptabel und wir werden notfalls mit der Härte des Gesetzes, den hinreichenden Respekt gegenüber unserer Polizei durchsetzen.

JR: Welche Auswirkung hatte Corona auf die Entwicklung der Gewalt gegenüber Polizeikräften?

MS: Wir hatten eine aufgewühlte gesellschaftliche Situation. Nach den ganzen Lockdowns kam der Eindruck auf, und das kann ich auch nachvollziehen, das hört nie auf. Da wurde die Stimmung aggressiver, gerade auf den Montagsdemonstrationen. Diese sind dem Grunde nach ja auch erlaubt, müssen aber angemeldet werden.

JR: Und das passierte nicht?

MS: Gerade dann nicht, wenn politische Ziele dahinterstanden. Bestimmte Parteien haben unangemeldet sogenannte Spaziergänge organisiert – und das an 20, 50, 60 Orten quer im Land gleichzeitig, um das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen. Darauf hat die Polizei wie gewohnt gut und konsequent reagiert. Doch häufig kam es gerade dort zu Auseinandersetzungen und Angriffen gegen die Polizei. Ich kann nur jedem Bürger empfehlen, wenn er Anweisungen von der Polizei bekommt, sollte er ihnen dringend folgen. Beschweren kann man sich dann immer noch. Glücklicherweise hat sich die gesellschaftliche Situation mit dem Ende der Pandemie etwas entspannt.

JR: Welche Stellschrauben gibt es denn, um Gewalt gegen Polizeikräfte zu mindern oder ihnen zur Seite zu stehen?  

MS: Unser Polizeigesetz braucht dafür eine Novellierung, beispielsweise müsste beim Thema Bodycams noch nachgeschärft werden. Allerdings ist eine Novellierung   innerhalb der jetzigen Koalition schwer umsetzbar. Die Notwendigkeit bleibt allerdings bestehen. Außerdem sehe ich es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich gegenüber solchen Entwicklungen stärken abzugrenzen. Da passiert bisher zu wenig.

JR: Welche Rolle spielen die angesprochenen Bodycams?

MS: Bodycams dienen im Wesentlichen drei Zwecken: Sie schützen diejenigen, die für unsere Sicherheit sorgen – also unsere Polizistinnen und Polizisten. Sie dienen der Deeskalation. Denn erste Studien zeigen, dass ein Hinweis auf Videoaufzeichnung bereits genügt, eine gefährliche Situation zu entschärfen. Und sie dokumentieren Einsätze, was für die Strafverfolgung wichtig ist. Bodycams tragen somit dazu bei, dass Gewalt gegenüber Polizeikräften im Vorfeld verhindert werden kann oder zumindest nachträglich geahndet wird.

JR: Bei diesem Thema müsste im Polizeigesetz, sagen Sie, noch nachgeschärft werden. Warum?

MS: Zunächst einmal freue ich mich, dass wir den Einsatz von Bodycams auf rechtlich sichere Füße gestellt haben.  Die Befugnis ist im Brandenburgischen Polizeigesetz verankert, ein Pilotprojekt seit vergangenen Jahr im Einsatz. Damit haben wir einen wesentlichen Beitrag zu einer verbesserten Eigensicherung der Polizeikräfte geleistet. Dennoch, nichts ist so gut, dass man es nicht verbessern könnte. Der Einsatz von Bodycams bei Einsätzen in Wohnungen wäre eine sinnvolle und auch notwendige Erweiterung. In 37 Fällen wurden Polizeikräfte im vergangenen Jahr in der Wohnung angegriffen. Auch wenn davon nur wenige verhindert werden würden, die Bodycam würde unsere Polizistinnen und Polizisten noch besser vor Gewalt schützen.  

JR: Wie sieht es mit einer Null-Toleranz-Strategie aus – wäre die nicht die richtige Wahl?

MS: Eine Null-Toleranz-Strategie haben wir bereits. Wir akzeptieren keine Bedrohung, kein Pöbeln, Spucken oder Gewalt gegen unsere Polizeikräfte. Die Polizei ist jene Institution, die alle Menschen, die in unserem Land leben, vor Gewalt und Verbrechen schützt. Es ist des-halb in keiner Weise hinnehmbar, dass unsere Polizistinnen und Polizisten zu Opfern gewaltsamer Übergriffe werden. Wir können deshalb auch zu Recht von der Gesellschaft erwarten, dass polizeilichen Anweisungen gefolgt wird. Nach meiner Einschätzung müssen wir das nicht verschärfen. Was wir allerdings tun müssen, ist, den Schutz der Polizeikräfte mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verbessern.

JR: Null-Toleranz gegenüber Gewalt gegen Polizeikräfte, Bodycams zum besseren Schutz und wenn doch etwas passiert: Was dann?

MS: Die Polizei unseres Landes bietet verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel die psychosoziale Unterstützung des Polizeiärztlichen Dienstes sowie die Polizeiseelsorge. Wir haben aber auch seit langer Zeit ein Team im Einsatz, das psychosoziale Notfallversorgung übernimmt, kurz das Einsatznachsorgeteam (ENT). Dieses wird auch intensiv in Anspruch g-nommen. Insbesondere nach schwierigen Einsätzen ist es wichtig, frühzeitig das Erlebte aufzuarbeiten. Eine klare Erkenntnis der Psychologie ist, wenn solche Dinge zu lange nagen in einer Seele, dann können sie zu physischen und psychischen Schäden führen.

JR: Sehen Sie da Veränderungen, wird das Einsatz-Nachsorge-Team beispielsweise öfter in Anspruch genommen?

MS: Grundsätzlich bemerke ich, und das halte ich für sehr wichtig, dass unsere jungen Poli-zisten viel häufiger zu den verschiedenen Möglichkeiten greifen, das Erlebte aufzuarbeiten. Früher, in meiner Generation, galt man als Weichei, wenn man sich psychologische Unterstützung geholt hat. Dabei ist es viel stärker, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn die Schäden, wenn man etwas nicht verarbeiten kann, sind in jedem Fall viel größer. Der Trend ist klar: Je jünger die Polizisten, umso häufiger nehmen sie Hilfsmöglichkeiten in Anspruch. Und das unterstützen wir weiterhin sehr.

JR: Hat das Einsatz-Nachsorge-Team dann auch genug Personal, um diesem Trend zu ent-sprechen?

MS: Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich einen Riesenrespekt vor dieser sehr starken, aufopferungsvollen und weitestgehend ehrenamtlichen Arbeit habe. Meist sind es selbst Menschen aus dem Polizei- und Rettungsdienst, die deshalb nur zu gut wissen, worum es geht. Aber wir können diese wichtige Aufgabe nicht nur auf die Schultern des ehrenamtlichen, freiwilligen Engagements stützen.

JR: Wie können die Ehrenamtlichen, die bislang diese schwierige Aufgabe übernehmen, entlastet werden?

MS: Auf lange Sicht ist die psychosoziale Notfallversorgung nicht mehr nur über freiwilliges Engagement abbildbar. Wir müssen mehr geeignete Unterstützungsmöglichkeiten bieten, die die Last vom Ehrenamt nimmt. Nur so können wir dem gestiegenen Bedarf nach Hilfe nachkommen.

JR: Welchen Einfluss hat das Thema Gewalt gegen Polizeikräfte auf junge Leute, die vor der Berufswahl stehen?

MS: In Gesprächen mit angehenden Polizeikräften habe ich gemerkt, dass die bei ihrer Entscheidung, Polizist werden zu wollen, sehr wohl und genau wissen, dass sie einen Beruf erlernen, der nicht vergleichbar ist mit anderen. Wenn andere fliehen, sind sie da, um zu helfen. Vor dieser Berufswahl habe ich größten Respekt.

JR: Dennoch konstatieren Sie eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft. Will man unter solchen Umständen überhaupt noch Polizist werden?

MS: Dass sich der Einfluss von Gewalt gegen Polizeikräfte negativ auf die Nachwuchsgewinnung auswirkt, ist bislang nicht bekannt. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass wer sich für den Polizeiberuf entscheidet, einer inneren Überzeugung und dem Wunsch folgt, zu dienen und zu schützen, mit all den Risiken und Gefahren, die mit dem Beruf einhergehen.