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Frankfurt/Oder

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© MIK

„Für diese Menschen ging hier der 2. Weltkrieg zu Ende“

Das Gelände der heutigen Polizeidirektion Ost hat eine bewegte Geschichte und spielte die zentrale Rolle für mindestens 1,5 Millionen Rückkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft.

Von Stephan Henke

Wenn man das Gelände der Polizeidirektion Ost betritt, wird man unweigerlich an die bewegte Geschichte dieses Ortes erinnert. Linkerhand ragt eine große Metall-Stele in die Höhe, „Unser Mahnmal für den Frieden“ steht groß darauf geschrieben, darunter „Heimkehrerlager Frankfurt/Oder, Gronenfelde – Hornkaserne, 1945 – 1950“. Doch nicht nur die Stehle, sondern auch eine Dauerausstellung in Haus 5 erinnert an das, was nach Ende des 2. Weltkrieges auf dem Kasernengelände passiert ist.

Nach Jahren der Gefangenschaft in Sowjetlagern kamen zwischen 1945 und 1950 mindestens 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland zurück, zuvor wurde das Gelände ab 1936 von der Beobachtungsabteilung 3 der Wehrmacht genutzt. „Die Leute wurden hier noch einmal überprüft, sind sie vielleicht doch Kriegsverbrecher gewesen? Sind sie transportfähig? Wenn alles gut ging, verließen sie dieses Lager mit einem kleinen Entlassungsschein als freie Menschen. Für diese Menschen ging hier der 2. Weltkrieg zu Ende. Bis zu diesem Moment waren sie noch Wehrmachtsangehörige und trugen teilweise noch die Uniformen“, erzählt Dr. Karl-Konrad Tschäpe von der zentralen Rolle des Ortes in der Nachkriegszeit.

Tschäpe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums Viadrina, betreut die Ausstellung, forscht seit vielen Jahren zu diesem Thema und hat auch mit einigen Zeitzeugen gesprochen. „Die Rückkehrer haben den Krieg und die Lagerhaft überlebt, sodass viele sagten, das ist mein zweiter Geburtstag, als sie hier entlassen wurden“, erzählt er. Zu dieser Zeit standen zahlreiche Baracken auf dem Gelände, zwischen 1500 und 6000 Rückkehrer wurden täglich per Zug aus den Lagern im Osten nach Frankfurt transportiert. „Die krankesten und kaputtesten menschlichen Wracks kamen hier an“, sagt Tschäpe. Denn bis 1948 wurden die deutschen Kriegsgefangen nur dann nach Hause geschickt, wenn sie nicht mehr in der Lage waren, die schweren körperlichen Arbeiten bei Großbauprojekten, in Bergwerken oder beim Schienen entladen zu leisten.

Frankfurt selbst war vom Krieg zerstört, „es starben tausende an Hunger und Seuchen, es war eine dramatische Situation“, sagt Tschäpe. In den provisorisch eingerichteten Krankenhäusern herrschten katastrophale Zustände, „eine Krankenschwester hat mir von Wolken von Flöhen erzählt, in denen die Kranken lagen“. Ein Pfarrer hat in bewegenden Worten aufgeschrieben, was Krankenschwestern ihm über die auch für sie lebensgefährliche Arbeit und den Zustand der Rückkehrer berichtet hatten. „Manche waren so erschöpft, dass sie nicht mehr zu sprechen oder zu essen vermochten. Sie lagen kalt und schon in einer Art Totenstarre, obwohl der Atem noch feststellbar war. So erloschen die Lebenslichter, es dauert manchmal drei bis vier Tage. Todeskämpfe kennt die Mittelschule nicht, zum Kampf fehlte jede Kraft“, heißt es beispielsweise in einem Text über das Lazarett in der damaligen Mittelschule.

Wer transportfähig war und entlassen wurde, lief die rund drei Kilometer vom Kasernengelände zum Heimkehrerlager Gronenfelde. Während das Kasernengelände unter sowjetischer Kontrolle hinter Stacheldraht lag, war Gronenfeld ein offenes Lager unter deutscher Verwaltung. „Die Leute hatten keine Ausweise, nichts mehr, es waren Leute ohne Identität. Dieses Lager registrierte die Kriegsgefangen auf deutscher Seite“, erzählt Tschäpe. Anschließend werden die Überlebenden in den nächsten Baracken untergebracht, die den Namen ihre Ziel-Bundesländer trugen, in die sie später per Zug gebracht wurden.
Doch trotz der überragenden Bedeutung Frankfurts für die Heimkehrer, spielt der Ort in der Geschichtsschreibung kaum eine Rolle. „Sie können sich fast jede beliebige Kriegsgefangenendokumentation ansehen, Frankfurt (Oder) taucht da niemals auf, das ist schon wirklich krass und man muss sich fragen, warum das so ist. Eine richtig plausible Erklärung haben wir nicht. In der DDR war das Thema tabuisiert und wir haben wenig Bildmaterial. Aber Bilder strukturieren eben unser Denken. Es gibt offenbar auch ein Bedürfnis nach dem Adenauer-Mythos“, sagt Tschäpe.

Im September 1955 war der damalige Bundeskanzler nach Moskau gereist, um über die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen zu verhandeln, die Glocke des Grenzdurchgangslagers Friedland (Niedersachsen) symbolisierte die Heimkehr und war laut Tschäpe auch deshalb in der öffentlichen Wahrnehmung viel präsenter Frankfurt. Nach 1950 wurde das Gelände in Frankfurt als sowjetische Kaserne genutzt, nach dem Abzug der Streitkräfte 1994 und der Sanierung der fünf Kasernenblöcke übernahm am 30. April 1996 schließlich die Brandenburger Polizei das Gelände.

Um dem bedeutenden Anteil Frankfurts in der Geschichte der Rückkehrer weiter einen angemessenen Platz zu bieten, plant das Museum Viadrina in absehbarer Zeit den Umzug der Ausstellung in einen Anbau des Museums. Denn zugänglich ist sie aktuell auf dem Polizeigelände nur auf Anfrage. Teilweise würden auch Nachfahren von ehemaligen Kriegsgefangenen klingeln, um sich die Ausstellung anzusehen und die Geschichte ihrer Verwandten nachvollziehen, berichtet Pressesprecher Till-Justus Hille. Dann laufen sie auch an der Stele am Eingang des Polizeigeländes vorbei, auf der außerdem steht: „Wir Heimkehrer mahnen! Völker entsagt dem Hass – versöhnt euch! Dient dem Frieden in Freiheit – baut Brücken zueinander!“

„Für diese Menschen ging hier der 2. Weltkrieg zu Ende“

Das Gelände der heutigen Polizeidirektion Ost hat eine bewegte Geschichte und spielte die zentrale Rolle für mindestens 1,5 Millionen Rückkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft.

Von Stephan Henke

Wenn man das Gelände der Polizeidirektion Ost betritt, wird man unweigerlich an die bewegte Geschichte dieses Ortes erinnert. Linkerhand ragt eine große Metall-Stele in die Höhe, „Unser Mahnmal für den Frieden“ steht groß darauf geschrieben, darunter „Heimkehrerlager Frankfurt/Oder, Gronenfelde – Hornkaserne, 1945 – 1950“. Doch nicht nur die Stehle, sondern auch eine Dauerausstellung in Haus 5 erinnert an das, was nach Ende des 2. Weltkrieges auf dem Kasernengelände passiert ist.

Nach Jahren der Gefangenschaft in Sowjetlagern kamen zwischen 1945 und 1950 mindestens 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland zurück, zuvor wurde das Gelände ab 1936 von der Beobachtungsabteilung 3 der Wehrmacht genutzt. „Die Leute wurden hier noch einmal überprüft, sind sie vielleicht doch Kriegsverbrecher gewesen? Sind sie transportfähig? Wenn alles gut ging, verließen sie dieses Lager mit einem kleinen Entlassungsschein als freie Menschen. Für diese Menschen ging hier der 2. Weltkrieg zu Ende. Bis zu diesem Moment waren sie noch Wehrmachtsangehörige und trugen teilweise noch die Uniformen“, erzählt Dr. Karl-Konrad Tschäpe von der zentralen Rolle des Ortes in der Nachkriegszeit.

Tschäpe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums Viadrina, betreut die Ausstellung, forscht seit vielen Jahren zu diesem Thema und hat auch mit einigen Zeitzeugen gesprochen. „Die Rückkehrer haben den Krieg und die Lagerhaft überlebt, sodass viele sagten, das ist mein zweiter Geburtstag, als sie hier entlassen wurden“, erzählt er. Zu dieser Zeit standen zahlreiche Baracken auf dem Gelände, zwischen 1500 und 6000 Rückkehrer wurden täglich per Zug aus den Lagern im Osten nach Frankfurt transportiert. „Die krankesten und kaputtesten menschlichen Wracks kamen hier an“, sagt Tschäpe. Denn bis 1948 wurden die deutschen Kriegsgefangen nur dann nach Hause geschickt, wenn sie nicht mehr in der Lage waren, die schweren körperlichen Arbeiten bei Großbauprojekten, in Bergwerken oder beim Schienen entladen zu leisten.

Frankfurt selbst war vom Krieg zerstört, „es starben tausende an Hunger und Seuchen, es war eine dramatische Situation“, sagt Tschäpe. In den provisorisch eingerichteten Krankenhäusern herrschten katastrophale Zustände, „eine Krankenschwester hat mir von Wolken von Flöhen erzählt, in denen die Kranken lagen“. Ein Pfarrer hat in bewegenden Worten aufgeschrieben, was Krankenschwestern ihm über die auch für sie lebensgefährliche Arbeit und den Zustand der Rückkehrer berichtet hatten. „Manche waren so erschöpft, dass sie nicht mehr zu sprechen oder zu essen vermochten. Sie lagen kalt und schon in einer Art Totenstarre, obwohl der Atem noch feststellbar war. So erloschen die Lebenslichter, es dauert manchmal drei bis vier Tage. Todeskämpfe kennt die Mittelschule nicht, zum Kampf fehlte jede Kraft“, heißt es beispielsweise in einem Text über das Lazarett in der damaligen Mittelschule.

Wer transportfähig war und entlassen wurde, lief die rund drei Kilometer vom Kasernengelände zum Heimkehrerlager Gronenfelde. Während das Kasernengelände unter sowjetischer Kontrolle hinter Stacheldraht lag, war Gronenfeld ein offenes Lager unter deutscher Verwaltung. „Die Leute hatten keine Ausweise, nichts mehr, es waren Leute ohne Identität. Dieses Lager registrierte die Kriegsgefangen auf deutscher Seite“, erzählt Tschäpe. Anschließend werden die Überlebenden in den nächsten Baracken untergebracht, die den Namen ihre Ziel-Bundesländer trugen, in die sie später per Zug gebracht wurden.
Doch trotz der überragenden Bedeutung Frankfurts für die Heimkehrer, spielt der Ort in der Geschichtsschreibung kaum eine Rolle. „Sie können sich fast jede beliebige Kriegsgefangenendokumentation ansehen, Frankfurt (Oder) taucht da niemals auf, das ist schon wirklich krass und man muss sich fragen, warum das so ist. Eine richtig plausible Erklärung haben wir nicht. In der DDR war das Thema tabuisiert und wir haben wenig Bildmaterial. Aber Bilder strukturieren eben unser Denken. Es gibt offenbar auch ein Bedürfnis nach dem Adenauer-Mythos“, sagt Tschäpe.

Im September 1955 war der damalige Bundeskanzler nach Moskau gereist, um über die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen zu verhandeln, die Glocke des Grenzdurchgangslagers Friedland (Niedersachsen) symbolisierte die Heimkehr und war laut Tschäpe auch deshalb in der öffentlichen Wahrnehmung viel präsenter Frankfurt. Nach 1950 wurde das Gelände in Frankfurt als sowjetische Kaserne genutzt, nach dem Abzug der Streitkräfte 1994 und der Sanierung der fünf Kasernenblöcke übernahm am 30. April 1996 schließlich die Brandenburger Polizei das Gelände.

Um dem bedeutenden Anteil Frankfurts in der Geschichte der Rückkehrer weiter einen angemessenen Platz zu bieten, plant das Museum Viadrina in absehbarer Zeit den Umzug der Ausstellung in einen Anbau des Museums. Denn zugänglich ist sie aktuell auf dem Polizeigelände nur auf Anfrage. Teilweise würden auch Nachfahren von ehemaligen Kriegsgefangenen klingeln, um sich die Ausstellung anzusehen und die Geschichte ihrer Verwandten nachvollziehen, berichtet Pressesprecher Till-Justus Hille. Dann laufen sie auch an der Stele am Eingang des Polizeigeländes vorbei, auf der außerdem steht: „Wir Heimkehrer mahnen! Völker entsagt dem Hass – versöhnt euch! Dient dem Frieden in Freiheit – baut Brücken zueinander!“

  • Bild: Historisches Bild von den Gebäuden des Polizeireviers in Frankfurt an der Oder
    © Polizei Brandenburg

    Historisches Bild von den Gebäuden des Polizeireviers in Frankfurt an der Oder

  • Bild: Historisches Bild von der Hornkaserne bei der Entlassung zahlreicher Kriegsgefangener
    © Polizei Brandenburg

    Historisches Bild der Hornkaserne - Entlassung Kriegsgefangener

  • Bild: Foto von Exponaten (Suchanzeigen)
    © MIK

    Exponat - Suchanzeigen Angehöriger

  • Bild: Foto von Exponaten (Ausweis Heimkehrer)
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    Exponat - Ausweis Heimkehrer

  • Bild: Foto von Doktor Tschäpe
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    Foto von Dr. Tschäpe - Forschender an der Universität Viadrina

  • Bild: Foto von einem symbolischen Schlüssel des Polizeireviers Frankfurt/Oder
    © MIK

    Symbolischer Schlüssel Polizeirevier Frankfurt/Oder

Historisches Bild von den Gebäuden des Polizeireviers in Frankfurt an der Oder
Historisches Bild Hornkaserne - Entlassung Kriegsgefangener
Exponat - Suchanzeigen Angehöriger
Exponat - Ausweis Heimkehrer
Foto von Dr. Tschäpe - Forschender an der Universität Viadrina
Symbolischer Schlüssel Polizeirevier Frankfurt/Oder