Debatte im Landtag: Folgen der Wahl für Brandenburg
Lange: „Herausforderungen bei Sicherheit, Migration, Wirtschaft und Energie erfordern durch-greifende Lösungen“
- Erschienen amPotsdam – Im Rahmen der Aktuellen Stunde im Landtag zum Thema „Folgen der Bundestagswahl für Brandenburg“ erklärte Innenministerin Katrin Lange heute das Folgende:
„Soweit es die Landesregierung betrifft, ist die Bundestagswahl beendet – und das betrifft selbstverständlich auch den Bundestagswahlkampf. Die Landesregierung hat an der Fortsetzung dieses Wahlkampfes hier im Plenum kein Interesse und wird sich daran nicht beteiligen. Sondern sie hat zu arbeiten – für unser Land!
Zum Beispiel führt der Finanzminister gerade Chefgespräche zum nächsten Landeshaushalt. Und dabei kann es auch schon einmal etwas später werden, wie ich aus eigenem Erleben bezeugen kann.
Damit ist aus Sicht der Landesregierung auch schon das Notwendige zu den vorliegenden Entschließungs-anträgen gesagt. Mit dem einen Antrag möchte die AfD gerne die CDU übers Stöckchen springen lassen. Und mit dem anderen Antrag die CDU gerne die Regierungskoalition.
Ich möchte dazu zwei Dinge festhalten:
Erstens: Die Landesregierung wird hier über gar keine Stöckchen springen, weder so, noch so. - Die Landesregierung ist nicht so fürs Stöckchenspringen. - Sie hat stattdessen zu arbeiten für unser Land.
Und zweitens: es geht beiden Anträgen in Wahrheit nicht um die Sache, sondern um vordergründige politische Motive. Eben dies ist kein ernsthafter Umgang mit sehr ernsthaften Themen.
Es kommt noch hinzu, dass diese Themen selbst im Wesentlichen eine Angelegenheit des Bundes sind und nicht des Landes Brandenburg und auch nur durch entsprechende Weichenstellungen auf Bundesebene und in Europa in eine andere und bessere Richtung bewegt werden können.
So gesehen sind die Anträge hier auch nicht am richtigen Platze.Die beabsichtigten Aufforderungen an die Landesregierung sind rein deklamatorisch und ändern an diesem Umstand nichts.
Zur Frage der Grenzkontrollen habe ich mich oft genug geäußert. Entgegen den Entschließungsanträgen habe ich mich nicht für „dauerhafte“ Grenzkontrollen ausgesprochen, sondern für Kontrollen solange wie nötig. Das ist ein Unterschied, und ich glaube, meine Auffassung ist hier die vernünftigere.
Es hängt dies vor allem an der wirksamen Kontrolle der EU-Außengrenzen, die zu wünschen übrig lässt. Aber wie auch immer: Auch dies ist eine Angelegenheit in der Zuständigkeit des Bundes und nicht des Landes Brandenburg. Da können sie dasselbe Anliegen hier auch noch fünfmal einbringen, das ändert an diesem Sachverhalt auch nichts!Und was die „Gemeinsame Erklärung der Landrätekonferenz mit der Landesregierung zum Thema Migration und Sicherheit“ vom 6. September 2024 betrifft, so ist sie sogar so gut, dass sie Eingang gefunden hat in den Koalitionsvertrag. Auch was das angeht, wird die Landesregierung hier keineswegs über irgendwelche Stöckchen der CDU springen.
Aber wo ich gerade beim Koalitionsvertrag bin, der übrigens ein sehr guter Koalitionsvertrag geworden ist: Es wird ja seit einiger Zeit seitens der Opposition – der großen und der kleinen – ein lautes Potsdamer Klagelied angestimmt.
Und zwar wird darin beklagt das Fehlen einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Und warum? Weil sich die Leute angeblich überhaupt keine Vorstellung machen könnten vom Tun der Landesregierung. – Ja, ist es denn die Möglichkeit?!
Auch dazu sind zwei Dinge zu bemerken: Erstens: Die Leute wissen selbstverständlich ganz genau, was diese Landesregierung tut und noch tun wird. Die Grundlage dafür ist eben der Koalitionsvertrag, der nicht nur schön kompakt, sondern auch sehr konkret ausgefallen ist. Und die Landesregierung ist jeden Tag dabei, diese Vorhaben abzuarbeiten, was ihnen in den Ausschusssitzungen des Landtages ja nicht entgangen sein wird.Und zweitens: Ich rede ziemlich oft mit ganz normalen Leuten hier im Land. Und die erzählen mir alles Mögliche, insbesondere wie kritisch sie diese oder jene Entwicklung in Deutschland sehen. Und ich kann Ihnen sagen: Die Leute hier in Land - ganz ausgezeichnete, anständige und grundsympathische Leute – die kommen oft mit einem ganzen Sack voller Probleme an. Nur: Ich habe hier noch nie einen getroffen, der mir gesagt hätte: „Wissen Sie was, Frau Lange, jetzt mal Butter bei die Fische, was wir jetzt wirklich ganz dringend brauchen, das ist eine Regierungserklärung vom Herrn Ministerpräsidenten!“ – Also noch nie. Keiner!
Und deswegen möchte ich Ihnen hier zur Kenntnis geben, dass es sich mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten so verhält wie mit dem Eintreffen von Gandalf im Auenland: Die Regierungserklärung kommt niemals zu spät. Ebenso wenig kommt sie zu früh. Sondern sie wird genau dann abgegeben, wenn der Ministerpräsident es beabsichtigt! So wird es sein.
Was nun die direkten Folgen der Bundestagswahl für Brandenburg angeht, so sind sie in politischer Hin-sicht durchaus überschaubar. Die Koalition ist nicht nur stabil, sondern auch vollständig durch die letzten Wahlen legitimiert. Sogar ziemlich überzeugend.Es ist völlig abwegig, das zu bestreiten, wie es die AfD jetzt tut und Neuwahlen zu verlangen. Ja, es wird Neuwahlen geben in Brandenburg – pünktlich im Jahr 2029. Bis dahin werden Sie sich noch gedulden müssen, denn Landesregierung und Koalition haben noch eine ganze Menge zu tun.
Und wenn darauf hingewiesen wird, dass die Mehrheit ja recht knapp ist, dann antworte ich darauf: Ja, das ist sie – aber Mehrheit ist Mehrheit. Schauen Sie mal nach Sachsen und Thüringen – also ich möchte da nicht tauschen!Das also sind die vordergründigen Folgen der Bundestagswahl für Brandenburg, die hier heute im Wege eines Nachwahlkampfes erörtert werden, was mir wenig Freude bereitet. – Aber die Landesregierung hat ja die aktuelle Stunde auch nicht beantragt. Die anderen Folgen der Bundestagswahl, die wir hier in diesem Rahmen nicht erörtern können, die sind selbstverständlich sehr viel weitreichender. Wenn heute über 80 Prozent der Bürger finden, dass die Verhältnisse in Deutschland Anlass zur Beunruhigung geben, dann hat die Politik darauf bislang nicht die richtigen Antworten gegeben. Das war auch der Grund für das Scheitern der Ampel und die vorgezogene Neuwahl.
Diese Wahlen haben die politische Landschaft in Deutschland grundlegend neu gezeichnet. Und es ist vor allem die AfD, die dabei bedeutende Geländegewinne errungen hat. Nicht nur hier im Osten. Wenn die AfD auch in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um die 20 Prozent bekommt und Wahlkreise wie Kaiserslautern und Gelsenkirchen – Ja, Gelsenkirchen, ehemalige Herzkammer der SPD! – nach Zweitstimmen gewinnt, dann haben wir es wohl kaum mit einem reinen „Ostthema“ zu tun, wie sich das manche immer noch gerne einreden.
So wie ich das sehe, handelt es sich um eine Phasenverschiebung: Wenn an den Problemen, die die AfD stark gemacht haben, nicht im Sinne der Bürger zügig gearbeitet wird, dann wird es auch im Westen sehr bald Ergebnisse geben wie im Osten. Das ist nur eine Frage der Zeit. Es wäre also auch in der streitbaren politischen Auseinandersetzung mit der AfD die Frage zu bedenken, ob es wirklich klug ist, immer wieder das Gleiche zu tun und trotzdem andere Ergebnisse zu erwarten. Man liest ja neuerdings sogar in der Potsdamer Tagespresse interessante Feststellungen über die „Brandmauer“.
Entschieden wurden diese Bundestagswahlen durch die Themen Sicherheit, Migration und Wirtschaft. Letzteres hängt wiederum eng zusammen mit der Energiepolitik. Es sind diese Problemfelder, auf denen die politische Mitte in Deutschland jetzt wirklich gefordert ist. Um ein Beispiel zu nennen, das an die gestrige Debatte anknüpft: „Während die Strompreise für stromintensive Unternehmen in Deutschland vor dem Ukrainekrieg wettbewerbsfähig waren, zahlen diese Unternehmen oft inzwischen einen vielfach höheren Strompreis als Wettbewerber etwa in Frankreich, den USA oder China.“ Quelle: Bundeswirtschaftsministerium, also Robert Habeck.
Frage: Wie lange wird das wohl gutgehen? Antwort: Sie alle wissen, oder sollten es wissen: Es geht jetzt schon nicht mehr gut!
Anderes Beispiel: Die Bedeutung der Vereinigten Staaten für Deutschlands Exportwirtschaft ist aktuell so groß wie nie in den letzten 20 Jahren. Im Jahr 2023 erzielte der deutsche Außenhandel mit den USA einen Rekord-Exportüberschuss von 63,3 Milliarden Euro. Quelle: Statistisches Bundesamt. Was glauben Sie, was hier los ist, wenn es wirklich zu einem ernsthaften Handelskrieg mit den USA kommt, wie sich jetzt abzeichnet? Was denken Sie, wer dabei wohl den Kürzeren ziehen wird? Zumal hier im strukturschwächeren Osten. Also ich würde mir das wirklich vorher überlegen, bevor ich mit dem Hintern von anderen – also den hiesigen Beschäftigten – durchs Feuer reite.
Und dann ist da die Frage der Migration. Es kann dort so nicht weitergehen wie bisher. Wir müssen hier zu vernünftigen Lösungen in der politischen Mitte kommen – und die Betonung liegt dabei ebenso auf „Mitte“ wie auf „Lösungen“! Auch dazu hat unser Koalitionsvertrag in Brandenburg bereits gute Vereinbarungen getroffen. Und vielleicht liest der eine oder andere dazu mal nach, was Heinrich August Winkler dazu gesagt hat, ein großer Historiker, und auch ein Sozialdemokrat. Und nein, es ist nicht weniger lohnend, nur weil Herr Berndt ihn nun auch gelesen hat.
Das also sind die Herausforderungen, die durchgreifende Lösungen erfordern: Innere und äußere Sicherheit, Migration, Wirtschaft, Energie. Und wenn das nicht passiert, meine Damen und Herren, in der nächsten Zeit im politischen Berlin und in der politischen Mitte, dann können wir uns alle miteinander wirklich warm anziehen.
Um also die Frage der heutigen Aktuellen Stunde für die Landesregierung zu beantworten: Die Folgen der Bundestagswahl für Brandenburg sind vordergründig gering, bei näherer Betrachtung erheblich – und in jedem Fall ganz anders, als die Nachwahlkämpfer von AfD und CDU sich das heute hier vorstellen.“