Katrin Lange: „Es geht darum, dass Personen, die kein Bleiberecht haben, unser Land wieder verlassen“
Innenministerin Lange zur heutigen Aktuellen Stunde im Landtag
- Erschienen amPotsdam – Der Landtag hat sich heute in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema Abschiebungen befasst. Dazu hat sich Innenministerin Katrin Lange wie folgt geäußert (es gilt das gesprochene Wort!):
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich bin es – wie der Bundeskanzler – leid, dass sich alle paar Wochen solche Gewalttaten wie gestern in Aschaffenburg bei uns zutragen. Der Tatverdächtige stammt aus Afghanistan, er war ausreisepflichtig und mindestens dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen. Und Olaf Scholz hat auch damit recht: Aus den gewonnenen Erkenntnissen müssen sofort Konsequenzen folgen.
Der brutale Angriff auf kleine Kinder, ihre Betreuer und Passanten zeigt wie in einem Brennglas, dass mit der Asylpolitik in Deutschland etwas ganz erheblich nicht stimmt. Die Menschen in Deutschland erwarten dringend Veränderungen – und sie haben auch recht damit! Schon im aktuellen „Deutschlandtrend“ der ARD nannten die Befragten das Thema „Zuwanderung / Flucht“ als eines der beiden drängendsten Probleme, noch vor der Wirtschaftspolitik.
Unser Koalitionsvertrag stellt dazu folgendes fest: „Brandenburg unterstützt alle geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen zur Eindämmung, Verhinderung und Zurückweisung von irregulärer Migration.“ Und: „Wir bekräftigen die „Gemeinsame Erklärung der Landrätekonferenz zum Thema Migration und Sicherheit“ vom 6. September 2024 und werden diese konsequent umsetzen.“ So ist es vereinbart - und so wird es auch gemacht.
Die Landesregierung wird dies gemeinsam tun und das Innenministerium wird dabei seinen Beitrag leisten. Es befinden sich dabei in vollem Einklang die Position des Bundeskanzlers, der Landesregierung, der Landräte, der übergroßen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die geltenden Maßgaben von Recht und Gesetz und nicht zuletzt die Gebote der politischen Vernunft. Klarer kann eine Sache eigentlich nicht sein!
Natürlich kann man an dem tatsächlichen Problem auch einfach vorbeisehen, und stattdessen mit Unterstellungen politische Denunziation betreiben wie erst jüngst eine Funktionärin der Diakonie in der hiesigen Presse. Und weil mir dieses Vorgehen irgendwie bekannt vorkam, schaute ich mal nach, und siehe da, die Frau Vorständin war zuvor Landtagsabgeordnete der Grünen in NRW. Was für ein Zufall!
Ich nehme das zur Kenntnis. Mich beeindruckt das nicht.
Ich will dazu nur sagen, dass der Koalitionsvertrag auch zu solch untauglichen Versuchen, politisch notwendige Debatten abzuwürgen und mit haltlosen Unterstellungen zu vergiften, etwas feststellt, nämlich: „In Brandenburg diskutieren wir offen und unvoreingenommen miteinander.“ Auch das ist zutreffend und das wird so sein. – Es ist überhaupt ein sehr guter Koalitionsvertrag geworden!
Allerdings spricht dieser Koalitionsvertrag nicht von allen möglichen, sondern von „allen geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen“. Das ist ein Unterschied. Und eben daran mangelt es dem hier vorliegenden Entschließungsantrag der AfD-Fraktion. Es geht generell darum, dass nach Abschluss eines rechtsstaatlichen Verfahrens jene Personen, die kein Bleiberecht haben, unser Land wieder verlassen. Das ist das Anliegen.
Und dabei ist die freiwillige Ausreise grundsätzlich vorzuziehen, sofern es sich dabei nicht um bekannte Gewalttäter handelt, die zudem auch noch offensichtlich psychisch krank sind. Bei solchen freiwilligen Ausreisen bin ich für ein pragmatisches Herangehen, das betrifft zum Beispiel finanzielle Unterstützungen, die auch jetzt schon gang und gäbe sind, oder auch Heimreisen, um sich im Herkunftsland über die Lage zu orientieren, was derzeit auf Bundesebene diskutiert wird.
Die Zahl der freiwilligen Ausreisen ist in Brandenburg in den letzten fünf Jahren kontinuierlich gestiegen, mit Ausnahme des Jahres 2022. Im Jahr 2024 verzeichnete Brandenburg 722 freiwillige Ausreisen, das sind circa 200 mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2024 gab es insgesamt 233 Abschiebungen aus Brandenburg, darunter 36 Dublin-Überstellungen. Insgesamt haben damit im letzten Jahr 955 Personen ohne dauerhafte Bleibeperspektive Brandenburg wieder verlassen, das sind rund 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Ja, das reicht nicht aus, aber man sollte diese Tatsachen wenigstens auch einmal zur Kenntnis nehmen!
Um zu einer besseren Durchsetzung von Ausreiseverpflichtungen zu kommen, ist die AfD jetzt auf eine groteske Idee verfallen, nämlich die Privatisierung von Abschiebeprozessen, wobei sich Frau Kotre bereits vorsorglich an einem „Wettbewerb von Abschiebeunternehmen“ erfreut. Diese fixe Idee aus dem Inventar des Neoliberalismus liegt weit neben den tatsächlichen Notwendigkeiten bei der Beseitigung von bestehenden Abschiebehindernissen. Denn beim Asylrecht und allen damit verbundenen Aufgaben handelt es sich nun wirklich um Kernaufgaben des Staates, die nicht privatisierungsfähig sind, auch wenn hier und da private Dienstleister etwa bei Transport oder Bewachung zum Einsatz kommen.
Und wenn es beim eigentlichen Rückführungsvollzug Defizite gibt, - und das ist ganz gewiss der Fall! - dann müssen diese Defizite beseitigt werden, anstatt nach der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben zu rufen. Jedenfalls kommt das hier in Brandenburg überhaupt nicht in Frage.
Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Brandenburg in der Vergangenheit ergriffen hat, - oft unter Beteiligung oder auf Anregung unserer Kreise und Kommunen - und die meines Erachtens auch für die Zukunft Bestand haben sollten. Dazu zählen die Zentralisierung der Zuständigkeiten für den Rückführungsvollzug bei der ZABH oder die Gründung der Task Force zur priorisierten Abschiebung von Straftätern. Die Arbeit der Task Force hat im vergangenen Jahr in 65 Fällen zur Ausreise der betreffenden Personen geführt, freiwillig oder per Abschiebung.
Auf diese Personengruppe müssen wir auch zukünftig unser besonders Augenmerk richten. Der weitere Verbleib von Straftätern unter Missbrauch des Gastlandes ist den Bürgern unseres Landes nicht zuzumuten. Das bedarf keiner weiteren Begründung. Ich weiß, dass die rechtlichen Hürden auch hier hoch sind, aber wir werden sehen und bereiten das auch vor, was wir dort zusätzlich tun können. Die Notwendigkeit ist unbestreitbar. Das war auch schon vor Aschaffenburg so.
Andere Maßnahmen befinden sich in der Planung oder Umsetzung, darunter das Behördenzentrum am BER. Die Einrichtung landeseigener Ausreiseeinrichtungen sowie in Vorbereitung und in Absprache mit dem Bund ein entsprechendes Dublin-Zentrum zur Verbesserung der Überstellungen von Asylsuchenden in andere EU-Staaten befinden sich in Vorbereitung.
Wir werden die Meldung der Anzahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen künftig quartalsweise vornehmen, so wie im Innenausschuss besprochen. Monatlich erscheint mir überzogen und unnötig, halbjährlich hingegen – wie zuletzt – reicht nicht aus. Wie so häufig dürfte der Weg der Mitte auch hier schon der richtige Weg sein. Ende November 2024 gab es in Brandenburg insgesamt 7.752 Ausreisepflichtige, und Ende Dezember 2024 4.331 vollziehbar ausreisepflichtige Personen.
Bei anderen Themen hingegen wird es ohne den Bund und die EU nicht gehen. Das muss man klar sagen, um sich nicht unrealistische Dinge zu erwarten. Es geht dabei zum Beispiel um die Verhandlung von Rückführungs- und Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern. Oder um die Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsländer. Auch die schweren Funktionsmängel des Dublin-Abkommens können in Brandenburg selbst nicht behoben werden, sondern nur auf anderer Ebene.
Aber keines dieser teils innerstaatlichen, teils zwischenstaatlichen Probleme lässt sich durch eine Privatisierung lösen! Der Titel der heutigen Aktuellen Stunde richtet sich damit gegen den Antragsteller selbst: Denn das, was uns hier als Privatisierungsprojekt vorgeschlagen wird, das eben ist selbst eine reine Scheinlösung. Nein, nicht die Privaten, sondern Staat und Politik stehen jetzt in der Verantwortung – und nach Aschaffenburg gilt das erst recht.