Innenminister Stübgen: Rechtsextremismus weiter größte Gefahr für Brandenburg
Zahl der Linksextremisten deutlich rückläufig / Verfassungsschutz warnt vor verstärkten russischen Spionagetätigkeiten in Brandenburg
- Erschienen am - PresemitteilungPotsdam – Der Rechtsextremismus bleibt der mit Abstand größte Phänomenbereich in Brandenburg. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2022 hervor, den Innenminister Michael Stübgen und der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz, Jörg Müller, heute in Potsdam vorgestellt haben. Das Personenpotential ist auf 2.855 (+25) gestiegen. Dagegen ist ein deutlicher Rückgang bei Linksextremisten auf 530 (-100) Szeneangehörige festzustellen. Im Jahr 2022 wurden erneut 210 (+/-0) Islamische Extremisten gezählt, die Gesamtzahl Auslandsbezogener Extremisten sank im Jahr 2022 auf 80 (-15).
Stübgen: „Von Rechtsextremisten geht weiterhin die größte Gefahr für unsere Demokratie aus. Hierbei bildet der rechtsextremistische Verdachtsfall ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) zusammen mit dem rechtsextremistischen Magazin COMPACT und dem rechtsextremistischen Verein ‚Zukunft Heimat‘ eine verfassungsfeindliche, politisch-mediale Formation. Enge Kontakte werden darüber hinaus zu weiteren extremistischen Strukturen unterhalten. Das gemeinsame Ziel ist die Entgrenzung des Rechtsextremismus. So soll die Gesellschaft ideologisch durchdrungen und schließlich fundamental umgestaltet werden. Das Herzstück dieses Netzwerkes ist schon aufgrund ihrer Größe die AfD. Und das, was von dort ausgeht, befeuert zugleich die sich ständig radikalisierende Szene der ‚Reichsbürger und Selbstverwalter‘ sowie die der Delegitimierer. Ich sehe mit großer Sorge, dass dadurch offenbar wachsende Teile unserer Gesellschaft in einer Art Hasszustand wegzukippen drohen. Das stellt nicht nur unsere Sicherheitsbehörden vor große Herausforderungen. Das fordert auch die Funktionsfähigkeit unser politischen Kultur heraus.“
Die Entwicklungen im Überblick
Unter Berücksichtigung des Verdachtsfalls „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist das Personenpotenzial im Phänomenbereich Rechtsextremismus auf 2.855 (+25) gestiegen. Davon gelten 1.260 (+15) als gewaltorientiert. Entsprechende Gewaltstraftaten sind jedoch auf 90 (-18) gefallen. Unter Berücksichtigung des Verdachtsfalls AfD kommen rechtsextremistische Parteien auf insgesamt 1.080 (+35) Mitglieder: AfD[1]: 820 (+30); „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD): 200 (-10) und DER DRITTE WEG: 60 (+15). 375 (-20) Rechtsextremisten sind parteiunabhängig in 14 (+/-0) Strukturen organisiert: eine „Kameradschaft“, einmal „Freie Kräfte“, acht „Bruderschaften“, der Verein „Zukunft Heimat“, zwei „Kampfsportgruppen“ und die „COMPACT-Magazin GmbH“. Das „weitgehend unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial“ umfasst insgesamt 1.620 Personen (+20). Die Zahl rechtsextremistischer Bands liegt bei 25 (+1), die der Liedermacher bei 14 (-5). Erneut wurden 16 (+/-0) Tonträger veröffentlicht.
Nach Angaben des Leiters des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Jörg Müller, hatte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gerade die Akteure der verfassungsfeindlichen politisch-medialen Formation „regelrecht elektrisiert“: „Nicht, weil sie mit den Ukrainern mitfühlen. Vielmehr hofften sie darauf, dass der Krieg zu ökonomischen Verwerfungen in Deutschland führt. Diese wollten sie dann politisch anfachen. Sie träumten davon, Deutschland einen heißen Herbst und einen heißen Winter aufzuzwingen. Der Verfassungsschutz Brandenburg hatte vor solchen Mobilisierungsversuchen früh gewarnt. Das Ergebnis ist für die Szene ernüchternd. Es blieb bei zahlreichen, teilweise krampfhaften Versuchen. Die großen Widerstandsträume der Verfassungsfeinde platzten wie Seifenblasen.“
Laut Verfassungsschutzbericht liegen „Reichsbürger und Selbstverwalter“ unverändert bei 650 (+/-0) Personen.
Dagegen ist ein deutlicher Rückgang bei Linksextremisten auf 530 (-100) Szeneangehörige festzustellen. Gleichwohl kommt der gewaltrechtfertigende und -unterstützende Verein „Rote Hilfe“ nach wie vor auf 360 (+/-0) Mitglieder. Müller: „Die unterstützen Gewalttäter. Auch solche, die unsere Polizisten angreifen. Für tatsächliche Demokraten verbietet sich da eine Mitgliedschaft.“ Die Zahl gewaltorientierter Autonomer ist auf 200 (-40) gefallen. Sie sind in sieben (-7) Strukturen organisiert. Gewaltstraftaten sind auf 29 (+11) gestiegen. Die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) und die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) kommen zusammen auf nur noch etwa 35 Mitglieder (- 10) und sind nicht mehr handlungsfähig.
Im Jahr 2022 wurden erneut 210 (+/-0) Islamische Extremisten gezählt. Das salafistische Personenpotenzial beträgt ebenso unverändert 160 (+/-0). Salafismus bildet den geistigen Nährboden für den Jihadismus und sich schnell radikalisierende Einzeltäter. Darunter befinden sich weiterhin 80 Personen (+/-0) mit Bezügen zur „Islamistischen Nordkaukasischen Szene“. Diese sind besonders relevant, da sich Gruppierungen im Kaukasus teilweise dem terroristischen „Islamischen Staat“ (IS) unterstellt hatten. Brandenburg steht vor der Herausforderung, Einflussnahmeversuche von Islamisten auf die muslimische Infrastruktur im Land abzuwehren. Aktuell geht die Gefahr nicht nur von Salafisten, sondern vor allem von Legalisten aus den Kreisen der Muslimbruderschaft und der extremistischen Missionierungsbewegung „Tablighi Jama’at“ aus.
Das größte Personenpotenzial im Auslandsbezogenen Extremismus weist die bundesweit mit einem Betätigungsverbot belegte „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) auf. Im Jahr 2022 wurden ihr jedoch nur noch 60 (-20) Personen zugerechnet. Die Gesamtzahl Auslandsbezogener Extremisten sank im Jahr 2022 ebenfalls auf 80 (-15).
Der Verfassungsschutz wirkte an 7.800 (+1.416) Zuverlässigkeitsüberprüfungen mit und führte 293 (-74) Sicherheitsüberprüfungen durch. Im Bereich Verfassungsschutz durch Aufklärung konnten die Vorträge trotz der pandemischen Beschränkungen wieder auf 80 (+43) erhöht werden. Die Teilnehmerzahl ist dabei auf rund 2.400 (+730) gestiegen.
Auch zur Spionage äußerte sich der Leiter des Verfassungsschutzes: „Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist tatsächlich eine Zeitenwende. Der Großteil der westlichen Welt unterstützt die Ukraine mit Waffen. Natürlich setzen die russischen Dienste jetzt erst Recht alles daran, mit Spionage gegen Einrichtungen und Personen an sensible Informationen zu gelangen. Der Bundeskanzler und zwei Bundesministerinnen kommen aus Brandenburg. Sie haben hier ihre parteipolitisch-strukturellen Verankerungen. Brandenburg nimmt damit im bundesweiten Vergleich eine Sonderrolle ein. Das gilt insbesondere für den Raum Potsdam, wo sich ebenfalls sowohl das Präsidium der Bundespolizei als auch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr befinden. Wir müssen uns darauf einstellen, Angriffsziel zu sein.“
[1] Durch die Nicht-Ausweisung aller Mitglieder der AfD Brandenburg wird dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass es sich bei ihr um einen Verdachtsfall für extremistische Bestrebungen handelt. Eigenen Angaben zufolge hatte der Landesverband zum Jahresende 2021 insgesamt 1.404 Mitglieder.