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Strategien, Handlungsfelder und Maßnahmen

Headerbild mit einem Wortnetz aus Fakten der Kommunalstudie
Headerbild mit einem Wortnetz aus Fakten der Kommunalstudie

- Auszüge aus den Kapiteln 6 und 7 der Studie -

Fokus: Einzelne und Organisationen

Analyse und Ideen in folgenden Handlungsfeldern (Studie Kapitel 6)

Analyse und Ideen in folgenden Handlungsfeldern (Studie Kapitel 6)

  • Schutz

    Aus der quantitativen Untersuchung ist bekannt, dass zahlreiche Bedrohungen, insbesondere von Amtspersonen, in den Verwaltungsgebäuden stattfinden. Im Fragebogen gaben 23,9 % der von Angriffen betroffenen Personen an, dass sich der typische Vorfall im Amtsgebäude oder Sitzungsraum abspielte.

    Bereits seit einigen Jahren, so berichten mehrere Personen in den Telefoninterviews, hat sich hier ein Portfolio von Schutzmaßnahmen gut bewährt, das eine große Bandbreite von der Einstellung von Security-Personal über Zutrittskontrollen bis zum Sicherheitstraining oder dem Anbringen von Notfallknöpfen umfasst. Allerdings sind vornehmlich große Verwaltungen in dieser Weise vorbereitet – und für die Sitzungen von Mandatspersonen steht diese Art von Sicherheitsmaßnahmen ohnehin nicht zur Verfügung. Deshalb ist die Kompetenz von Amts- und Mandatspersonen besonders wichtig, potenziell eskalierende Konfliktsituationen möglichst†

    • frühzeitig zu erkennen,
    • angemessen zu behandeln,
    • langfristig in möglichst respektvolle Dialoge zu überführen.

    Ein solcher Kompetenzaufbau erscheint – teilweise – durch die Anwendung von Methoden aus dem Feld der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GfK)59 möglich, wo sich seit Jahrzehnten ein differenziertes Portfolio von theoretisch hinterlegten und praktisch bewährten Verhaltensansätzen entwickelte. Zudem werden die Philosophie und die Anwendung von
    GfK durch eine breit aufgestellte Szene von Trainerinnen und Trainern für Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen vermittelt. Dieses Angebot kann gleichermaßen für Kommunalpolitikerinnen und -politiker wie Amtspersonen nutzbar gemacht werden.

    Hierfür sind unterschiedliche Formate geeignet. So könnten kurze Webinare niedrigschwellig, z. B. als „Mittagspausenangebot“, in Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation (oder anderer geeigneter Verfahren) einführen und den Zugang zu vertiefenden Formaten öffnen. Für die Bedürfnisse bestimmter Verwaltungsfunktionen, z.B. in Rollen mit vielen Kontakten zu Bürgerinnen oder Bürger (Bürgerbüros oder Ordnungsamt) könnten genauso spezifische Angebote aufgelegt werden wie für die Spitzen der unterschiedlichen kommunalen Verwaltungen. Das gleiche gilt für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der unterschiedlichen kommunalen Parlamente. Hier könnten unterschiedliche Formate z. B. für Mitglieder aus den Gemeindevertretungen kleiner Orte oder von Kreistagen entwickelt werden. Ebenfalls kann die Differenzierung zwischen Einzel- und Gruppentrainings sinnvoll sein – sowie spezielle Angebote für weibliche Amts- oder Mandatspersonen.

    Entscheidend erscheint, dass die Angebote

    • in Terminologie und Inhalten auf die Bedarfe von Amts- und Mandatspersonen zugeschnitten werden. Hinweise aus der Konsultation mit Expertenpersonen deuten darauf hin, dass die angemessene Tonalität in der Gestaltung des Angebots wie seiner kommunikativen Bewerbung von herausgehobener Bedeutung ist. Die aus einer solchen Konsultation stammende Formulierung, „die gestandenen Männer und Frauen der Kommunalpolitik dürfen nicht zu Erstklässlern gemacht werden“, gibt einen Hinweis auf die damit zusammenhängende Herausforderung. Ähnlich zu verstehen ist die aus der Praxis der Beratung entstandene Wahrnehmung eines Experten, dass das Selbstbild mancher Bürgermeisterin oder manches Bürgermeisters stark durch den Anspruch einer hohen Eigenständigkeit in der Lösung lokaler Probleme gekennzeichnet sei – die Bereitschaft zur Nutzung externer Beratungsangebote könne darunter vielfach leiden. Als Konsequenz dieser Hinweise sollten Personen aus der Zielgruppe in die Entwicklung der konkreten Formate oder mindestens in ihren Test einbezogen werden.
    • mit einem ausreichend hohen Kommunikationsdruck60 auf die Zielgruppe wirken. Das setzt voraus, dass die Angebote nicht lediglich „passiv“ vorgehalten werden, etwa über eine Webseite, die lediglich auf Besuche „wartet“. Eine Faustregel aus der Werbung besagt, dass eine Botschaft ihre Zielpersonen mindestens siebenmal erreichen muss, bis sie tatsächlich eine nachhaltige Erinnerung oder gar eine Handlung auslöst – auch wenn diese Handlung „lediglich“ im Anklicken einer Trainingsbeschreibung besteht. Als Konsequenz erscheint eine angemessene Budgetierung und Einbeziehung zahlreicher Multiplikatoren  unterstützender Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen notwendig.

    Organisatorisch können derartige Trainingsangebote bei vorhandenen Trägern mit bereits guter kommunaler Vernetzung angesiedelt werden. Ebenfalls ist es möglich, auf die Kräfte des (Trainings-) Marktes zu setzen. Beide Varianten werden selbst dann für eine gewisse Zeit nicht auf eine Anschubunterstützung verzichten können, wenn die Trainings nur mit einer geringen Teilnahmegebühr angeboten werden. Die Anschubunterstützung kann sich auf eine Förderung der Formatentwicklung oder der Bewerbung des Angebots richten oder einen finanziellen Unterstützungsbetrag pro absolviertes und dokumentiertes Training
    vorsehen.

    Aus Gründen der Qualitätssicherung sollte die Formatentwicklung von einer etablierten Instanz der Erwachsenenbildung begleitet werden. In Genuss der Anschubunterstützung sollten nur Anbieter kommen, die in diesem Kontext mitwirken, wobei ein möglicher Qualitätsgewinn durch eine bürokratische Zertifizierung oder andere Zeit aufwändige Verfahren nicht plausibel erscheint.

    Die Entwicklung von Inhalten für Angebote im skizzierten Sinne kann von folgenden Impulsen profitieren, die im Kontext der verschiedenen Interviews mit Expertenpersonen sowie Amts- und Mandatspersonen gegeben wurden:

    • Bereits in der Phase der ersten Kontaktaufnahme mit Interessenten
      sollte eine Abfrage des jeweils spezifischen Bedarfs oder der Situation
      vor Ort erfolgen.
    • Schwerpunkt auf kurze Trainingseinheiten mit jeweils spezifischen
      Themen und „Lernaufgaben“ sowie Vermeidung überflüssigen theoretischen
      Ballasts.
    • Interaktiver Charakter sowohl für Online- wie Offline-Angebote unter
      Einbeziehung konkreter Übungen.
    • Vertiefung der Ergebnisse durch Follow Up-Maßnahmen, z. B. Telefonate
      mit den Teilnehmenden.

    Mit dem oben beschriebenen Ansatz für kommunale Amts- und Mandatspersonen im Handlungsfeld „Schutz“ können weitere Maßnahmen kombiniert werden. So könnte beispielsweise über die Marketingkanäle des Angebots auch eine Maßnahme transportiert werden, die sich an die Familien von Amts- und Mandatspersonen richtet. Aus der quantitativen Befragung ist bekannt, dass in etwa 7 % der berichteten Fälle auch Angehörige von Amts- oder Mandatspersonen Opfer von Angriffen wurden. Die Berichte aus den qualitativen Interviews zeigen deutlich, dass die Sorge von Amts- oder Mandatspersonen, ihre Familie könne unter Angriffen leiden, eine sehr hohe Relevanz hat. Deshalb ist ein Angebot für Familienangehörige sinnvoll. Es sollte ganzheitlich angelegt sein und auch elementare Vorkehrungen zur Prävention enthalten, wie sie bereits in verschiedenen Faltblättern oder Broschüren der Polizeibehörden enthalten sind. Speziell für die junge Generation in Familien erscheinen auch niederschwellige digitale Angebote als
    kurze Webinare oder kurze Videoclips zu einzelnen Themen, die auch über Social Media distribuiert werden können, angemessen – zumal gerade der Umgang mit sozialen Medien ein wichtiges Thema von Präventionsinformationen sein sollte. Dem durch die Corona-Pandemie induzierten Überdruss an Online-Formaten steht eine in den vergangenen
    zwei Jahren signifikant gewachsene Kompetenz und Erfahrung mit digitalen Formaten entgehen. Aus unserer Perspektive gilt: Zwar mögen Präsenzformate nachhaltiger wirken, mehr Vernetzung erlauben und stärker motivieren als digitale Formate – aber digitale Formate sind deutlich besser als der Verzicht auf Aktivitäten.


    59 Sowohl Begriff wie Verfahren der GfK sind nicht unumstritten. Der GfK-Ansatz wird hier stellvertretend für ähnlich orientierte Verfahren einer bewussten, wertschätzenden und effektiven Kommunikation verwendet, weil er vergleichsweise bekannt ist. Damit wird nicht zwangsläufig empfohlen, mit den teilweise missverständlichen Terminologien der GfK zu operieren.

    60 Dieser Fachbegriff aus der Kommunikationsplanung bezeichnet das Ausmaß der Konfrontation einer Zielgruppe (hier die überschaubare Gruppe der Amts- und Mandatspersonen in Brandenburg) mit Kommunikationsmaßnahmen, die die Zielgruppe über einen bestimmten Zeitraum mehrfach und über unterschiedliche Kommunikationswege erreichen.

    Aus der quantitativen Untersuchung ist bekannt, dass zahlreiche Bedrohungen, insbesondere von Amtspersonen, in den Verwaltungsgebäuden stattfinden. Im Fragebogen gaben 23,9 % der von Angriffen betroffenen Personen an, dass sich der typische Vorfall im Amtsgebäude oder Sitzungsraum abspielte.

    Bereits seit einigen Jahren, so berichten mehrere Personen in den Telefoninterviews, hat sich hier ein Portfolio von Schutzmaßnahmen gut bewährt, das eine große Bandbreite von der Einstellung von Security-Personal über Zutrittskontrollen bis zum Sicherheitstraining oder dem Anbringen von Notfallknöpfen umfasst. Allerdings sind vornehmlich große Verwaltungen in dieser Weise vorbereitet – und für die Sitzungen von Mandatspersonen steht diese Art von Sicherheitsmaßnahmen ohnehin nicht zur Verfügung. Deshalb ist die Kompetenz von Amts- und Mandatspersonen besonders wichtig, potenziell eskalierende Konfliktsituationen möglichst†

    • frühzeitig zu erkennen,
    • angemessen zu behandeln,
    • langfristig in möglichst respektvolle Dialoge zu überführen.

    Ein solcher Kompetenzaufbau erscheint – teilweise – durch die Anwendung von Methoden aus dem Feld der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GfK)59 möglich, wo sich seit Jahrzehnten ein differenziertes Portfolio von theoretisch hinterlegten und praktisch bewährten Verhaltensansätzen entwickelte. Zudem werden die Philosophie und die Anwendung von
    GfK durch eine breit aufgestellte Szene von Trainerinnen und Trainern für Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen vermittelt. Dieses Angebot kann gleichermaßen für Kommunalpolitikerinnen und -politiker wie Amtspersonen nutzbar gemacht werden.

    Hierfür sind unterschiedliche Formate geeignet. So könnten kurze Webinare niedrigschwellig, z. B. als „Mittagspausenangebot“, in Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation (oder anderer geeigneter Verfahren) einführen und den Zugang zu vertiefenden Formaten öffnen. Für die Bedürfnisse bestimmter Verwaltungsfunktionen, z.B. in Rollen mit vielen Kontakten zu Bürgerinnen oder Bürger (Bürgerbüros oder Ordnungsamt) könnten genauso spezifische Angebote aufgelegt werden wie für die Spitzen der unterschiedlichen kommunalen Verwaltungen. Das gleiche gilt für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der unterschiedlichen kommunalen Parlamente. Hier könnten unterschiedliche Formate z. B. für Mitglieder aus den Gemeindevertretungen kleiner Orte oder von Kreistagen entwickelt werden. Ebenfalls kann die Differenzierung zwischen Einzel- und Gruppentrainings sinnvoll sein – sowie spezielle Angebote für weibliche Amts- oder Mandatspersonen.

    Entscheidend erscheint, dass die Angebote

    • in Terminologie und Inhalten auf die Bedarfe von Amts- und Mandatspersonen zugeschnitten werden. Hinweise aus der Konsultation mit Expertenpersonen deuten darauf hin, dass die angemessene Tonalität in der Gestaltung des Angebots wie seiner kommunikativen Bewerbung von herausgehobener Bedeutung ist. Die aus einer solchen Konsultation stammende Formulierung, „die gestandenen Männer und Frauen der Kommunalpolitik dürfen nicht zu Erstklässlern gemacht werden“, gibt einen Hinweis auf die damit zusammenhängende Herausforderung. Ähnlich zu verstehen ist die aus der Praxis der Beratung entstandene Wahrnehmung eines Experten, dass das Selbstbild mancher Bürgermeisterin oder manches Bürgermeisters stark durch den Anspruch einer hohen Eigenständigkeit in der Lösung lokaler Probleme gekennzeichnet sei – die Bereitschaft zur Nutzung externer Beratungsangebote könne darunter vielfach leiden. Als Konsequenz dieser Hinweise sollten Personen aus der Zielgruppe in die Entwicklung der konkreten Formate oder mindestens in ihren Test einbezogen werden.
    • mit einem ausreichend hohen Kommunikationsdruck60 auf die Zielgruppe wirken. Das setzt voraus, dass die Angebote nicht lediglich „passiv“ vorgehalten werden, etwa über eine Webseite, die lediglich auf Besuche „wartet“. Eine Faustregel aus der Werbung besagt, dass eine Botschaft ihre Zielpersonen mindestens siebenmal erreichen muss, bis sie tatsächlich eine nachhaltige Erinnerung oder gar eine Handlung auslöst – auch wenn diese Handlung „lediglich“ im Anklicken einer Trainingsbeschreibung besteht. Als Konsequenz erscheint eine angemessene Budgetierung und Einbeziehung zahlreicher Multiplikatoren  unterstützender Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen notwendig.

    Organisatorisch können derartige Trainingsangebote bei vorhandenen Trägern mit bereits guter kommunaler Vernetzung angesiedelt werden. Ebenfalls ist es möglich, auf die Kräfte des (Trainings-) Marktes zu setzen. Beide Varianten werden selbst dann für eine gewisse Zeit nicht auf eine Anschubunterstützung verzichten können, wenn die Trainings nur mit einer geringen Teilnahmegebühr angeboten werden. Die Anschubunterstützung kann sich auf eine Förderung der Formatentwicklung oder der Bewerbung des Angebots richten oder einen finanziellen Unterstützungsbetrag pro absolviertes und dokumentiertes Training
    vorsehen.

    Aus Gründen der Qualitätssicherung sollte die Formatentwicklung von einer etablierten Instanz der Erwachsenenbildung begleitet werden. In Genuss der Anschubunterstützung sollten nur Anbieter kommen, die in diesem Kontext mitwirken, wobei ein möglicher Qualitätsgewinn durch eine bürokratische Zertifizierung oder andere Zeit aufwändige Verfahren nicht plausibel erscheint.

    Die Entwicklung von Inhalten für Angebote im skizzierten Sinne kann von folgenden Impulsen profitieren, die im Kontext der verschiedenen Interviews mit Expertenpersonen sowie Amts- und Mandatspersonen gegeben wurden:

    • Bereits in der Phase der ersten Kontaktaufnahme mit Interessenten
      sollte eine Abfrage des jeweils spezifischen Bedarfs oder der Situation
      vor Ort erfolgen.
    • Schwerpunkt auf kurze Trainingseinheiten mit jeweils spezifischen
      Themen und „Lernaufgaben“ sowie Vermeidung überflüssigen theoretischen
      Ballasts.
    • Interaktiver Charakter sowohl für Online- wie Offline-Angebote unter
      Einbeziehung konkreter Übungen.
    • Vertiefung der Ergebnisse durch Follow Up-Maßnahmen, z. B. Telefonate
      mit den Teilnehmenden.

    Mit dem oben beschriebenen Ansatz für kommunale Amts- und Mandatspersonen im Handlungsfeld „Schutz“ können weitere Maßnahmen kombiniert werden. So könnte beispielsweise über die Marketingkanäle des Angebots auch eine Maßnahme transportiert werden, die sich an die Familien von Amts- und Mandatspersonen richtet. Aus der quantitativen Befragung ist bekannt, dass in etwa 7 % der berichteten Fälle auch Angehörige von Amts- oder Mandatspersonen Opfer von Angriffen wurden. Die Berichte aus den qualitativen Interviews zeigen deutlich, dass die Sorge von Amts- oder Mandatspersonen, ihre Familie könne unter Angriffen leiden, eine sehr hohe Relevanz hat. Deshalb ist ein Angebot für Familienangehörige sinnvoll. Es sollte ganzheitlich angelegt sein und auch elementare Vorkehrungen zur Prävention enthalten, wie sie bereits in verschiedenen Faltblättern oder Broschüren der Polizeibehörden enthalten sind. Speziell für die junge Generation in Familien erscheinen auch niederschwellige digitale Angebote als
    kurze Webinare oder kurze Videoclips zu einzelnen Themen, die auch über Social Media distribuiert werden können, angemessen – zumal gerade der Umgang mit sozialen Medien ein wichtiges Thema von Präventionsinformationen sein sollte. Dem durch die Corona-Pandemie induzierten Überdruss an Online-Formaten steht eine in den vergangenen
    zwei Jahren signifikant gewachsene Kompetenz und Erfahrung mit digitalen Formaten entgehen. Aus unserer Perspektive gilt: Zwar mögen Präsenzformate nachhaltiger wirken, mehr Vernetzung erlauben und stärker motivieren als digitale Formate – aber digitale Formate sind deutlich besser als der Verzicht auf Aktivitäten.


    59 Sowohl Begriff wie Verfahren der GfK sind nicht unumstritten. Der GfK-Ansatz wird hier stellvertretend für ähnlich orientierte Verfahren einer bewussten, wertschätzenden und effektiven Kommunikation verwendet, weil er vergleichsweise bekannt ist. Damit wird nicht zwangsläufig empfohlen, mit den teilweise missverständlichen Terminologien der GfK zu operieren.

    60 Dieser Fachbegriff aus der Kommunikationsplanung bezeichnet das Ausmaß der Konfrontation einer Zielgruppe (hier die überschaubare Gruppe der Amts- und Mandatspersonen in Brandenburg) mit Kommunikationsmaßnahmen, die die Zielgruppe über einen bestimmten Zeitraum mehrfach und über unterschiedliche Kommunikationswege erreichen.

  • Empowerment

    Aus den quantitativen Daten ist bekannt, dass die von Angriffen betroffenen Amts- und Mandatspersonen von ihrem Umfeld vielfach allein gelassen werden. Weniger als 40 % der Antwortenden berichten von „persönlich geäußerter Solidarität“, weniger als 25 % von einer deutlichen Missbilligung oder Ächtung der Täter. Da überrascht es nicht, dass 37 % der Betroffenen von einer langen emotionalen Belastung berichten und knapp ein Viertel erwägt, das Mandat oder Amt möglicherweise niederzulegen. Jede Vernetzung und jeder Gedankenaustausch wirkt dem Gefühl entgegen, einen Angriff allein bewältigen zu müssen und stärkt die Betroffenen. Insofern liegt es nahe, Vernetzung und Erfahrungsaustausch als Präventionsmaßnahme zu organisieren, da es dabei in der Regel auch um einen Austausch über mehr oder weniger gut funktionierende Handlungsstrategien zur Verhinderung von Angriffen geht.

    Die hier empfohlene Maßnahme fokussiert auf die Vernetzung einer besonderen Gruppe von Mandatspersonen: auf Fraktionsvorsitzende. Ihre Ansprache bietet sich aus mehreren Gründen an:

    Sie üben innerhalb der jeweiligen kommunalen Gremien eine meinungsbildende Funktion aus. Über sie werden im besten Fall also mehrere weitere Personen im Gremium oder darüber hinaus erreicht.

    Sie sind zudem aufgrund ihrer Exposition möglicherweise Angriffen in besonderem Maße ausgesetzt61 – und haben deshalb eine besondere Aufgeschlossenheit für Maßnahmen.

    Sie sind im Unterschied zu vielen anderen Mandatspersonen gut erreichbar62. Das senkt den Aufwand in der Realisierung einer Maßnahme.

    Der Vorschlag zielt auf Einladung der Fraktionsvorsitzenden aller kommunalpolitischen Gremien (Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen, Gemeindevertretungen) zu Austausch- und Diskussionsveranstaltungen mit maximal zwanzig Teilnehmenden. Im Sinne eines Split-Testing-Ansatzes63 könnte die Einladung sowohl zu einer Online- wie zu einer konventionellen Variante erfolgen, da beide Realisierungsvarianten möglicherweise auf spezifisches Interesse unterschiedlich motivierter Personen stoßen. In jedem Fall ist eine professionelle Moderation erforderlich, die über den Gedanken- und Erfahrungsaustausch hinausgehend auch auf die gemeinsame Bewertung sowie ergänzende Weiterentwicklung von Präventions- und Bewältigungsansätzen zielt. Als Resultat einer Teilnahme muss ein konkreter Nutzen für die Teilnehmenden erarbeitet worden sein, der sich für sie spürbar in ihrer kommunalpolitischen Arbeit niederschlägt. Dieser Nutzen kann in verschiedenen Dimensionen verortet werden:

    • Vernetzung mit Fraktionsvorsitzenden, die ähnliche Erfahrung gemacht haben. Ihre Kontaktdaten sollten für einen künftigen Gedankenaustausch zum Beispiel für den Fall künftiger Angriffe unkompliziert im Kreis der Teilnehmenden zur Verfügung stehen.
    • Stärkung des Selbstbewusstseins durch die Erfahrung von Solidarität: Die Angriffe gegen die eigene Person oder Personen der eigenen Fraktion können so in einen größeren Kontext eingeordnet werden und es wird einer verengenden Wahrnehmung aus einer „Opferrolle“ heraus entgegengewirkt.
    • Sensibilisierung im Hinblick auf das Erkennen von Konstellationen innerhalb von Gremien, die Angriffe begünstigen können, und Kennenlernen von möglichen Präventions- und Reaktionsstrategien.
    • Kennenlernen von konkreten Tipps, die an andere Mandatspersonen ihrer Fraktion weitergegeben werden können.
    • Wissen um und Zugang zu weiterführenden Unterstützungsangeboten, z. B. der konkreten Hilfe für Betroffene oder der juristischen Begleitung, auch um diese an Kolleginnen und Kollegen der eigenen Fraktion weitergeben zu können.

    Ziel dieser empowernden Maßnahme ist es, gestärkte Fraktionsvorsitzende in den kommunalpolitischen Gremien zu haben – je besser ihr Umgang mit Angriffen, desto breiter die Wirkung auch in ihre Fraktion hinein.

    In den Konsultationen mit Expertenpersonen wurden im Hinblick auf die Ausgestaltung der Maßnahme zwei Aspekte betont:

    • Bei Organisation als Präsenzveranstaltung solle auf die regionale Organisation geachtet werden: Die Dimensionen des Flächenlandes Brandenburg mindern die Erfolgschancen einer etwa ausschließlich in Potsdam angebotenen Veranstaltung mit einer An- und Abreisezeit von ggf. über vier Stunden erheblich. Durch die Wahl von Veranstaltungsorten in den Kreisstädten (ggf. gebündelt) kann dieser  Herausforderung in gewissem Rahmen Rechnung getragen werden.
    • Die Angebote sollen innerhalb der Parteiorganisationen erfolgen: Die teilweise scharfe Abgrenzung zwischen den politischen Parteien oder kommunalpolitischen Gruppierungen erschwere einen Austausch über Parteigrenzen hinweg. So richtig diese Einschätzung ist, so sehr hätten aber in diesem Rahmen auch Begegnungen
      Fraktionsvorsitzender über Parteigrenzen hinweg ihren eigenen Wert.

    Die zuletzt geschilderte Herausforderung kann teilweise dadurch adressiert werden, dass die Entwicklung des Formats und die Rekrutierung von Personen für Moderation bzw. Training durch eine übergeordnete Instanz, etwa eine Institution der politischen Bildung oder eine Stiftung erfolgt. Die Einladungen können dann über die Parteiorganisationen erfolgen.

    Zwei weitere Empfehlungen sollen lediglich in etwas kürzerer Form vorgestellt werden. Die eine zielt auf Empowerment von Mandatspersonen dadurch, dass interessierte Abgeordnete – nach dem Vorbild von „Buddy-Systemen“, die sich in der Personalwirtschaft von Unternehmen bewährt haben – eine Partnerschaft mit anderen Mitgliedern desselben oder eines benachbarten Parlaments eingehen, in der sie sich über erfolgte oder befürchtete Angriffe austauschen. Solche „Peer-to-Peer“-Ansätze kommen insbesondere für weibliche Abgeordnete, die nach den Resultaten der hier vorgelegten Studie sowie anderer Publikationen etwas häufiger, vor allem aber in anderer Qualität als Männer betroffen sind, wie für neue Abgeordnete in Frage.

    Die andere Maßnahmenempfehlung bezieht sich auf die mit vergleichsweise geringem Aufwand mögliche Realisierung eines Mediums: Eine kurze Printpublikation, begleitet von einer Internetversion, könnte unter dem (Arbeits-) Titel „Dumme Sprüche – kluge Frauen“ verbreitete Unterstellungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen aufgreifen, die sich vornehmlich gegen Frauen und gegen andere, als „vulnerabel“ wahrgenommene Gruppen richten. Die Publikation kann verbale und non-verbale Reaktionsstrategien vorstellen und am Beispiel von positiven Rollenvorbildern zeigen, wie mit dieser Ausprägung sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen in kommunalen Verwaltungen oder Parlamenten Brandenburgs umgegangen werden kann. Einzelne Elemente einer solchen Publikation können zudem als Posts für die Social Media Kommunikation verbreitet werden.


    61 Hierzu liegen keine quantitativen Ergebnisse aus der schriftlichen Befragung vor, da die Funktion innerhalb der Kommunalparlamente aus Datenschutzgründen (Reduzierung der Gefahr einer theoretisch möglichen Deanonymisierung) nicht abgefragt wurde.

    62 Viele Mandatspersonen sind auch über die Ratsinformationssysteme weder per Mail noch per Telefon persönlich erreichbar, auch ihre Adresse ist in der Regel nicht auffindbar. Hinweise aus den qualitativen Interviews legen nahe, dass diese – aus Demokratieund Transparenz-Perspektive bedenkliche – Anonymisierung der kommunalen Abgeordneten gerade zur Vorbeugung von möglichen Angriffen erfolgt.

    63 Zur Methode generell siehe z. B. Schöberl, Markus (2004): Tests im Direktmarketing. Konzepte und Methoden für die Praxis - Auswertung und Analyse - Qualitätsmanagement und Erfolgsorientierung.

    Aus den quantitativen Daten ist bekannt, dass die von Angriffen betroffenen Amts- und Mandatspersonen von ihrem Umfeld vielfach allein gelassen werden. Weniger als 40 % der Antwortenden berichten von „persönlich geäußerter Solidarität“, weniger als 25 % von einer deutlichen Missbilligung oder Ächtung der Täter. Da überrascht es nicht, dass 37 % der Betroffenen von einer langen emotionalen Belastung berichten und knapp ein Viertel erwägt, das Mandat oder Amt möglicherweise niederzulegen. Jede Vernetzung und jeder Gedankenaustausch wirkt dem Gefühl entgegen, einen Angriff allein bewältigen zu müssen und stärkt die Betroffenen. Insofern liegt es nahe, Vernetzung und Erfahrungsaustausch als Präventionsmaßnahme zu organisieren, da es dabei in der Regel auch um einen Austausch über mehr oder weniger gut funktionierende Handlungsstrategien zur Verhinderung von Angriffen geht.

    Die hier empfohlene Maßnahme fokussiert auf die Vernetzung einer besonderen Gruppe von Mandatspersonen: auf Fraktionsvorsitzende. Ihre Ansprache bietet sich aus mehreren Gründen an:

    Sie üben innerhalb der jeweiligen kommunalen Gremien eine meinungsbildende Funktion aus. Über sie werden im besten Fall also mehrere weitere Personen im Gremium oder darüber hinaus erreicht.

    Sie sind zudem aufgrund ihrer Exposition möglicherweise Angriffen in besonderem Maße ausgesetzt61 – und haben deshalb eine besondere Aufgeschlossenheit für Maßnahmen.

    Sie sind im Unterschied zu vielen anderen Mandatspersonen gut erreichbar62. Das senkt den Aufwand in der Realisierung einer Maßnahme.

    Der Vorschlag zielt auf Einladung der Fraktionsvorsitzenden aller kommunalpolitischen Gremien (Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen, Gemeindevertretungen) zu Austausch- und Diskussionsveranstaltungen mit maximal zwanzig Teilnehmenden. Im Sinne eines Split-Testing-Ansatzes63 könnte die Einladung sowohl zu einer Online- wie zu einer konventionellen Variante erfolgen, da beide Realisierungsvarianten möglicherweise auf spezifisches Interesse unterschiedlich motivierter Personen stoßen. In jedem Fall ist eine professionelle Moderation erforderlich, die über den Gedanken- und Erfahrungsaustausch hinausgehend auch auf die gemeinsame Bewertung sowie ergänzende Weiterentwicklung von Präventions- und Bewältigungsansätzen zielt. Als Resultat einer Teilnahme muss ein konkreter Nutzen für die Teilnehmenden erarbeitet worden sein, der sich für sie spürbar in ihrer kommunalpolitischen Arbeit niederschlägt. Dieser Nutzen kann in verschiedenen Dimensionen verortet werden:

    • Vernetzung mit Fraktionsvorsitzenden, die ähnliche Erfahrung gemacht haben. Ihre Kontaktdaten sollten für einen künftigen Gedankenaustausch zum Beispiel für den Fall künftiger Angriffe unkompliziert im Kreis der Teilnehmenden zur Verfügung stehen.
    • Stärkung des Selbstbewusstseins durch die Erfahrung von Solidarität: Die Angriffe gegen die eigene Person oder Personen der eigenen Fraktion können so in einen größeren Kontext eingeordnet werden und es wird einer verengenden Wahrnehmung aus einer „Opferrolle“ heraus entgegengewirkt.
    • Sensibilisierung im Hinblick auf das Erkennen von Konstellationen innerhalb von Gremien, die Angriffe begünstigen können, und Kennenlernen von möglichen Präventions- und Reaktionsstrategien.
    • Kennenlernen von konkreten Tipps, die an andere Mandatspersonen ihrer Fraktion weitergegeben werden können.
    • Wissen um und Zugang zu weiterführenden Unterstützungsangeboten, z. B. der konkreten Hilfe für Betroffene oder der juristischen Begleitung, auch um diese an Kolleginnen und Kollegen der eigenen Fraktion weitergeben zu können.

    Ziel dieser empowernden Maßnahme ist es, gestärkte Fraktionsvorsitzende in den kommunalpolitischen Gremien zu haben – je besser ihr Umgang mit Angriffen, desto breiter die Wirkung auch in ihre Fraktion hinein.

    In den Konsultationen mit Expertenpersonen wurden im Hinblick auf die Ausgestaltung der Maßnahme zwei Aspekte betont:

    • Bei Organisation als Präsenzveranstaltung solle auf die regionale Organisation geachtet werden: Die Dimensionen des Flächenlandes Brandenburg mindern die Erfolgschancen einer etwa ausschließlich in Potsdam angebotenen Veranstaltung mit einer An- und Abreisezeit von ggf. über vier Stunden erheblich. Durch die Wahl von Veranstaltungsorten in den Kreisstädten (ggf. gebündelt) kann dieser  Herausforderung in gewissem Rahmen Rechnung getragen werden.
    • Die Angebote sollen innerhalb der Parteiorganisationen erfolgen: Die teilweise scharfe Abgrenzung zwischen den politischen Parteien oder kommunalpolitischen Gruppierungen erschwere einen Austausch über Parteigrenzen hinweg. So richtig diese Einschätzung ist, so sehr hätten aber in diesem Rahmen auch Begegnungen
      Fraktionsvorsitzender über Parteigrenzen hinweg ihren eigenen Wert.

    Die zuletzt geschilderte Herausforderung kann teilweise dadurch adressiert werden, dass die Entwicklung des Formats und die Rekrutierung von Personen für Moderation bzw. Training durch eine übergeordnete Instanz, etwa eine Institution der politischen Bildung oder eine Stiftung erfolgt. Die Einladungen können dann über die Parteiorganisationen erfolgen.

    Zwei weitere Empfehlungen sollen lediglich in etwas kürzerer Form vorgestellt werden. Die eine zielt auf Empowerment von Mandatspersonen dadurch, dass interessierte Abgeordnete – nach dem Vorbild von „Buddy-Systemen“, die sich in der Personalwirtschaft von Unternehmen bewährt haben – eine Partnerschaft mit anderen Mitgliedern desselben oder eines benachbarten Parlaments eingehen, in der sie sich über erfolgte oder befürchtete Angriffe austauschen. Solche „Peer-to-Peer“-Ansätze kommen insbesondere für weibliche Abgeordnete, die nach den Resultaten der hier vorgelegten Studie sowie anderer Publikationen etwas häufiger, vor allem aber in anderer Qualität als Männer betroffen sind, wie für neue Abgeordnete in Frage.

    Die andere Maßnahmenempfehlung bezieht sich auf die mit vergleichsweise geringem Aufwand mögliche Realisierung eines Mediums: Eine kurze Printpublikation, begleitet von einer Internetversion, könnte unter dem (Arbeits-) Titel „Dumme Sprüche – kluge Frauen“ verbreitete Unterstellungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen aufgreifen, die sich vornehmlich gegen Frauen und gegen andere, als „vulnerabel“ wahrgenommene Gruppen richten. Die Publikation kann verbale und non-verbale Reaktionsstrategien vorstellen und am Beispiel von positiven Rollenvorbildern zeigen, wie mit dieser Ausprägung sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen in kommunalen Verwaltungen oder Parlamenten Brandenburgs umgegangen werden kann. Einzelne Elemente einer solchen Publikation können zudem als Posts für die Social Media Kommunikation verbreitet werden.


    61 Hierzu liegen keine quantitativen Ergebnisse aus der schriftlichen Befragung vor, da die Funktion innerhalb der Kommunalparlamente aus Datenschutzgründen (Reduzierung der Gefahr einer theoretisch möglichen Deanonymisierung) nicht abgefragt wurde.

    62 Viele Mandatspersonen sind auch über die Ratsinformationssysteme weder per Mail noch per Telefon persönlich erreichbar, auch ihre Adresse ist in der Regel nicht auffindbar. Hinweise aus den qualitativen Interviews legen nahe, dass diese – aus Demokratieund Transparenz-Perspektive bedenkliche – Anonymisierung der kommunalen Abgeordneten gerade zur Vorbeugung von möglichen Angriffen erfolgt.

    63 Zur Methode generell siehe z. B. Schöberl, Markus (2004): Tests im Direktmarketing. Konzepte und Methoden für die Praxis - Auswertung und Analyse - Qualitätsmanagement und Erfolgsorientierung.

  • Bewältigung

    37 % der von einem Angriff betroffenen Brandenburger Amts- oder Mandatspersonen berichten in der schriftlichen Befragung von einer „langen emotionalen Belastung“ als Folge von selbst erlebten Vorfällen. Die traumatisierende Wirkung von Angriffen – auch in ihrer scheinbar „leichtesten“ Form als Beleidigungen – wurde auch bei den qualitativen Interviews überdeutlich: durch direkte Benennung des Traumas wie auch durch die spürbare emotionale Belastung während der Interviews selbst (bemerkbar etwa an einer tränenerstickten Stimme).

    Die Betroffenen berichten auch, dass sie in der Mehrzahl der Fälle keine Hilfe aus ihrem Umfeld bei der Einleitung rechtlicher Schritte nach einem Vorfall erhalten haben: Nur 6 % der Antwortenden geben das an. Das korrespondiert mit der generellen Zurückhaltung, Vorfälle zur Anzeige zu bringen und eine Strafverfolgung einzuleiten. Der überwiegende Teil (63 %) der Betroffenen spricht davon, dass Aufwand und Nutzen einer Anzeige in einem Missverhältnis stünden. Fast ebenso viele (62 %) zweifeln an einer möglichen Verurteilung. Die qualitativen Interviews zeigen ebenfalls große Skepsis, ja sogar Resignation im Hinblick auf das Vertrauen in Polizei und Justiz – wie es z. B. ein Kreistagsabgeordneter mit seiner Bemerkung im qualitativen Interview ausdrückt: „Ich sehe bei der Polizei zu wenig Sorgfalt und Wille. Ich habe bereits 20-30 Anzeigen gestellt, nie wurden Täter ermittelt.

    Insgesamt gibt es zahlreiche Hinweise auf ein Defizit an Maßnahmen, die von einem Angriff betroffene Amts- und Mandatspersonen nach einem Vorfall „auffangen“ und unterstützen könnten. Wo es solche Auffang-und Bewältigungshilfen gibt, sind sie wenig bekannt. Deshalb setzt die wichtigste Empfehlung in diesem Bereich darauf, verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten nach einem Vorfall in einer Stelle zu bündeln. Eine solche Stelle könnte folgende Angebote vorhalten oder mindestens koordinieren:

    • Angebote zur Bewältigung der direkten Folgen von Angriffen: Unterstützung durch schnelle und unbürokratische Hilfe im Sinne einer psychologischen Betreuung, etwa zur Bewältigung von Traumata. Im Fall körperlicher Angriffe soll ebenfalls Soforthilfe zur medizinischen Behandlung und ggf. ärztlichen Dokumentation eines Angriffs vermittelt werden. Nach einer Soforthilfe kann eine längerfristig orientierte Hilfe, ob in Einzeltherapie oder z. B. Selbsthilfegruppen, angeregt und vermittelt werden.
    • Angebote für die unkomplizierte Beratung und Begleitung bei der strafrechtlichen Verfolgung und juristischen Aufarbeitung von Straftaten gegen Amts- und Mandatspersonen. Hier kann an schnelle Vermittlung von spezialisierter anwaltlicher Hilfe und die Zusagen für die Kostenübernahme gedacht werden, aber auch die Unterstützung bei Beweissicherung, Recherchen und gegebenenfalls öffentlicher Begleitung (z. B. durch Information der Medien) der Strafverfahren.

    Wichtig erscheint, dass eine solche zentrale Stelle sich der Bearbeitung von Angriffen gegen (nicht nur kommunale) Amts- und Mandatspersonen unabhängig von der juristischen Qualität widmet. Aus Sicht der Autorinnen und Autoren sollte diese Institution für eine nachdrückliche Außenwirkung einen gewissen öffentlich-rechtlichen Charakter besitzen, in der Realisierung ihrer Aufgaben aber intensiv mit bereits bestehenden Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Dies könnte dadurch gestaltet werden, dass organisatorisch zwischen einer Erst-Anlaufstelle (im Sinne einer Verweisberatung) und der unmittelbar danach erfolgenden Beratung bzw. Begleitung differenziert werden – ähnlich wie in Service und Support zwischen „Frontend“ und „Backend“ unterschieden werden kann. Die Erst-Anlaufstelle sollte bei einer staatlichen Institution angesiedelt sein und 24/7/365 über alle relevanten Kanäle erreichbar sein (Telefon, Mail, Social Media, Fax etc.). Hier könnte auch die aktuelle „Hotline“ beim Polizeipräsidium Potsdam (die während der Bürozeiten erreichbare Ansprechstelle für Mandatsträger und Personen des öffentlichen Lebens) ausgebaut werden.

    Die Begleitung von Betroffenen bei der Aufklärung, Strafverfolgung und juristischen Aufarbeitung der gegen sie gerichteten Angriffe dürfte am besten durch bewährte Organisationen der Zivilgesellschaft erfolgen, deren spezifische Kompetenzen (etwa mit dem Fokus Hate Speech / Beleidigungen und Bedrohungen im digitalen Raum, rechtsradikal motivierte Übergriffe oder juristische Begleitung) vor einer möglichen Aufgabenübertragung vergleichend evaluiert werden sollten. Die Aktivitäten der einzelnen Organisationen sollten durch geeignete Arbeitsroutinen koordiniert und qualitativ gesichert werden (Supervision).

    Wie bei allen anderen dargestellten Angeboten wird der Erfolg einer solchen Beratungsstelle von einer breiten und dauerhaften Kommunikation des Angebots in Verwaltungen, Parteien, Gruppen und Gremien der Kommunalpolitik abhängen.

    37 % der von einem Angriff betroffenen Brandenburger Amts- oder Mandatspersonen berichten in der schriftlichen Befragung von einer „langen emotionalen Belastung“ als Folge von selbst erlebten Vorfällen. Die traumatisierende Wirkung von Angriffen – auch in ihrer scheinbar „leichtesten“ Form als Beleidigungen – wurde auch bei den qualitativen Interviews überdeutlich: durch direkte Benennung des Traumas wie auch durch die spürbare emotionale Belastung während der Interviews selbst (bemerkbar etwa an einer tränenerstickten Stimme).

    Die Betroffenen berichten auch, dass sie in der Mehrzahl der Fälle keine Hilfe aus ihrem Umfeld bei der Einleitung rechtlicher Schritte nach einem Vorfall erhalten haben: Nur 6 % der Antwortenden geben das an. Das korrespondiert mit der generellen Zurückhaltung, Vorfälle zur Anzeige zu bringen und eine Strafverfolgung einzuleiten. Der überwiegende Teil (63 %) der Betroffenen spricht davon, dass Aufwand und Nutzen einer Anzeige in einem Missverhältnis stünden. Fast ebenso viele (62 %) zweifeln an einer möglichen Verurteilung. Die qualitativen Interviews zeigen ebenfalls große Skepsis, ja sogar Resignation im Hinblick auf das Vertrauen in Polizei und Justiz – wie es z. B. ein Kreistagsabgeordneter mit seiner Bemerkung im qualitativen Interview ausdrückt: „Ich sehe bei der Polizei zu wenig Sorgfalt und Wille. Ich habe bereits 20-30 Anzeigen gestellt, nie wurden Täter ermittelt.

    Insgesamt gibt es zahlreiche Hinweise auf ein Defizit an Maßnahmen, die von einem Angriff betroffene Amts- und Mandatspersonen nach einem Vorfall „auffangen“ und unterstützen könnten. Wo es solche Auffang-und Bewältigungshilfen gibt, sind sie wenig bekannt. Deshalb setzt die wichtigste Empfehlung in diesem Bereich darauf, verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten nach einem Vorfall in einer Stelle zu bündeln. Eine solche Stelle könnte folgende Angebote vorhalten oder mindestens koordinieren:

    • Angebote zur Bewältigung der direkten Folgen von Angriffen: Unterstützung durch schnelle und unbürokratische Hilfe im Sinne einer psychologischen Betreuung, etwa zur Bewältigung von Traumata. Im Fall körperlicher Angriffe soll ebenfalls Soforthilfe zur medizinischen Behandlung und ggf. ärztlichen Dokumentation eines Angriffs vermittelt werden. Nach einer Soforthilfe kann eine längerfristig orientierte Hilfe, ob in Einzeltherapie oder z. B. Selbsthilfegruppen, angeregt und vermittelt werden.
    • Angebote für die unkomplizierte Beratung und Begleitung bei der strafrechtlichen Verfolgung und juristischen Aufarbeitung von Straftaten gegen Amts- und Mandatspersonen. Hier kann an schnelle Vermittlung von spezialisierter anwaltlicher Hilfe und die Zusagen für die Kostenübernahme gedacht werden, aber auch die Unterstützung bei Beweissicherung, Recherchen und gegebenenfalls öffentlicher Begleitung (z. B. durch Information der Medien) der Strafverfahren.

    Wichtig erscheint, dass eine solche zentrale Stelle sich der Bearbeitung von Angriffen gegen (nicht nur kommunale) Amts- und Mandatspersonen unabhängig von der juristischen Qualität widmet. Aus Sicht der Autorinnen und Autoren sollte diese Institution für eine nachdrückliche Außenwirkung einen gewissen öffentlich-rechtlichen Charakter besitzen, in der Realisierung ihrer Aufgaben aber intensiv mit bereits bestehenden Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Dies könnte dadurch gestaltet werden, dass organisatorisch zwischen einer Erst-Anlaufstelle (im Sinne einer Verweisberatung) und der unmittelbar danach erfolgenden Beratung bzw. Begleitung differenziert werden – ähnlich wie in Service und Support zwischen „Frontend“ und „Backend“ unterschieden werden kann. Die Erst-Anlaufstelle sollte bei einer staatlichen Institution angesiedelt sein und 24/7/365 über alle relevanten Kanäle erreichbar sein (Telefon, Mail, Social Media, Fax etc.). Hier könnte auch die aktuelle „Hotline“ beim Polizeipräsidium Potsdam (die während der Bürozeiten erreichbare Ansprechstelle für Mandatsträger und Personen des öffentlichen Lebens) ausgebaut werden.

    Die Begleitung von Betroffenen bei der Aufklärung, Strafverfolgung und juristischen Aufarbeitung der gegen sie gerichteten Angriffe dürfte am besten durch bewährte Organisationen der Zivilgesellschaft erfolgen, deren spezifische Kompetenzen (etwa mit dem Fokus Hate Speech / Beleidigungen und Bedrohungen im digitalen Raum, rechtsradikal motivierte Übergriffe oder juristische Begleitung) vor einer möglichen Aufgabenübertragung vergleichend evaluiert werden sollten. Die Aktivitäten der einzelnen Organisationen sollten durch geeignete Arbeitsroutinen koordiniert und qualitativ gesichert werden (Supervision).

    Wie bei allen anderen dargestellten Angeboten wird der Erfolg einer solchen Beratungsstelle von einer breiten und dauerhaften Kommunikation des Angebots in Verwaltungen, Parteien, Gruppen und Gremien der Kommunalpolitik abhängen.

  • Kommunale Verwaltung

    Da viele Verwaltungen in Brandenburg unter erheblicher personeller Unterbesetzung leiden und insofern Angebote im Hinblick auf Reiseund Abwesenheitszeiten optimiert sein sollten, fokussieren die Empfehlungen auf digitale Angebote. Dabei ist dem Forschungsteam bewusst, dass der Digitalisierungsgrad der Brandenburger Kommunen nicht dafür prädestiniert erscheint, unterhalb der Leitungsebene erfolgreich an Online-Terminen teilzunehmen. Andererseits haben die Erfahrungen während der CoVid-Pandemie gezeigt, dass auch in den Brandenburger Verwaltungen ein beachtliches Maß an Improvisationsbereitschaft und Willen zum privaten Engagement (etwa durch die Nutzung privater Endgeräte oder Accounts, was bei Vorgängen außerhalb hoheitlicher Aufgaben vertretbar erscheint) gegeben ist.

    Im Zentrum der Empfehlungen für kommunale Verwaltungen steht die Initiierung einer praxisnahen Webinar-Reihe, mit der Mitarbeitende im Themenfeld dieser Studie sensibilisiert und qualifiziert werden sollen. Sie können während der Arbeitszeit, z. B. als „Lunch-and-Learn-Trainings“, angeboten werden. Bei diesem bewährten Format kann einzeln oder in Gruppen während der Mittagszeit oder einer vereinbarten Zeitspanne ein kurzes live übertragenes Webinar besucht oder die Aufzeichnung eines Webinars rezipiert werden – wobei die letztgenannte Variante im hier zu behandelnden Themenfeld wegen der verringerten Interaktionsmöglichkeiten nur als Ausweichmöglichkeit in Frage kommt.

    Eine Besonderheit der einzelnen Webinar-Angebote sollte sein, dass sie sich an Verwaltungsmitarbeitende mit jeweils vergleichbaren Funktionen richten – also an Mitarbeitende, die typische Arbeitserfahrungen teilen und möglicherweise auch vergleichbaren Bedrohungssituationen ausgesetzt sind. Zu denken ist etwa an die Mitarbeitenden im Ordnungsamt, im Bürgerservice oder in anderen Funktionen mit regelmäßigem Kontakt mit der Bürgerschaft. Dazu gehören auch Mitarbeitende in Empfangs- oder Sekretariatsfunktionen sowie die Leitungsebene.

    Die Webinarreihe sollte thematisch beispielsweise folgende Aspekte abdecken:

    • Erkennen typischer Bedrohungssituationen und Eskalationsbedingungen (im Außendienst, im Bürgerservice etc. – angepasst an die jeweilige Zielgruppe)
    • Balance zwischen Sicherheit und Bürgernähe: Verhalten in konkreten Konfliktsituationen
    • Was tun bei digitalen Beleidigungen oder Drohungen?
    • Wie kann ich meine Familie schützen?
    • Nach einem Vorfall: Alles zum Thema Dokumentation und Strafverfolgung
    • Jedes Live-Webinar sollte einen Dialogteil enthalten, in dem die Teilnehmenden sich über ihre konkrete Situation austauschen und bei Interesse vernetzen können.

    In Abgrenzung zu oben vorgestellten Maßnahmen für Einzelpersonen (6.1.1) richtet sich hier der Fokus nicht nur auf die De-Eskalation von Auseinandersetzungen, sondern verfolgt einen breiteren Ansatz. Damit werden auch Vorbehalte aus der Zielgruppe selbst berücksichtigt, wie sie sich z. B. in folgendem Zitat eines Amtsdirektors aus den qualitativen Interviews zeigen: „Coachings wie zu Deeskalation wirken aufgesetzt und bringen nicht viel, da es gelernte Sätze sind. Man muss eine Grundautorität besitzen, um den Druck auszuhalten.“ Unabhängig von der tatsächlichen Berechtigung dieses Einwandes werden damit Vorbehalte in der Zielgruppe angedeutet, die bei einem Gruppenansatz und einem zu einseitigen Fokus auf De-Eskalation die Wirkung der Maßnahme verringern könnten. Insofern erscheint ein modularer Aufbau der Webinarreihe als sinnvoll, sodass die Mitarbeitenden jeweils solche Themen wählen können, die in ihrer jeweiligen Situation besonders relevant erscheinen. Eine Übersichtsinformation (auf Papier und digital) sollte das Angebot insgesamt vorstellen und insbesondere den Amtsleitungen Tipps zur Themenwahl, zur Schwerpunktsetzung und zur Einladung der Mitarbeitenden geben.

    Möglicherweise könnte die Webinar-Reihe bei der Brandenburgischen Kommunalakademie angesiedelt werden und in die „Ausbildung der Ausbilder“ sowie die Aus- und Fortbildungslehrgänge und das „freie“ Seminarangebot integriert werden. Für die Realisierung kommen private Unternehmen in Frage, die Erfahrung mit Online-Learning haben. Die Kommunikation zur Webinar-Reihe sollte über Verwaltungsrundschreiben sowie Publikation in Fachmedien und allgemeiner Presse erfolgen.

    Da viele Verwaltungen in Brandenburg unter erheblicher personeller Unterbesetzung leiden und insofern Angebote im Hinblick auf Reiseund Abwesenheitszeiten optimiert sein sollten, fokussieren die Empfehlungen auf digitale Angebote. Dabei ist dem Forschungsteam bewusst, dass der Digitalisierungsgrad der Brandenburger Kommunen nicht dafür prädestiniert erscheint, unterhalb der Leitungsebene erfolgreich an Online-Terminen teilzunehmen. Andererseits haben die Erfahrungen während der CoVid-Pandemie gezeigt, dass auch in den Brandenburger Verwaltungen ein beachtliches Maß an Improvisationsbereitschaft und Willen zum privaten Engagement (etwa durch die Nutzung privater Endgeräte oder Accounts, was bei Vorgängen außerhalb hoheitlicher Aufgaben vertretbar erscheint) gegeben ist.

    Im Zentrum der Empfehlungen für kommunale Verwaltungen steht die Initiierung einer praxisnahen Webinar-Reihe, mit der Mitarbeitende im Themenfeld dieser Studie sensibilisiert und qualifiziert werden sollen. Sie können während der Arbeitszeit, z. B. als „Lunch-and-Learn-Trainings“, angeboten werden. Bei diesem bewährten Format kann einzeln oder in Gruppen während der Mittagszeit oder einer vereinbarten Zeitspanne ein kurzes live übertragenes Webinar besucht oder die Aufzeichnung eines Webinars rezipiert werden – wobei die letztgenannte Variante im hier zu behandelnden Themenfeld wegen der verringerten Interaktionsmöglichkeiten nur als Ausweichmöglichkeit in Frage kommt.

    Eine Besonderheit der einzelnen Webinar-Angebote sollte sein, dass sie sich an Verwaltungsmitarbeitende mit jeweils vergleichbaren Funktionen richten – also an Mitarbeitende, die typische Arbeitserfahrungen teilen und möglicherweise auch vergleichbaren Bedrohungssituationen ausgesetzt sind. Zu denken ist etwa an die Mitarbeitenden im Ordnungsamt, im Bürgerservice oder in anderen Funktionen mit regelmäßigem Kontakt mit der Bürgerschaft. Dazu gehören auch Mitarbeitende in Empfangs- oder Sekretariatsfunktionen sowie die Leitungsebene.

    Die Webinarreihe sollte thematisch beispielsweise folgende Aspekte abdecken:

    • Erkennen typischer Bedrohungssituationen und Eskalationsbedingungen (im Außendienst, im Bürgerservice etc. – angepasst an die jeweilige Zielgruppe)
    • Balance zwischen Sicherheit und Bürgernähe: Verhalten in konkreten Konfliktsituationen
    • Was tun bei digitalen Beleidigungen oder Drohungen?
    • Wie kann ich meine Familie schützen?
    • Nach einem Vorfall: Alles zum Thema Dokumentation und Strafverfolgung
    • Jedes Live-Webinar sollte einen Dialogteil enthalten, in dem die Teilnehmenden sich über ihre konkrete Situation austauschen und bei Interesse vernetzen können.

    In Abgrenzung zu oben vorgestellten Maßnahmen für Einzelpersonen (6.1.1) richtet sich hier der Fokus nicht nur auf die De-Eskalation von Auseinandersetzungen, sondern verfolgt einen breiteren Ansatz. Damit werden auch Vorbehalte aus der Zielgruppe selbst berücksichtigt, wie sie sich z. B. in folgendem Zitat eines Amtsdirektors aus den qualitativen Interviews zeigen: „Coachings wie zu Deeskalation wirken aufgesetzt und bringen nicht viel, da es gelernte Sätze sind. Man muss eine Grundautorität besitzen, um den Druck auszuhalten.“ Unabhängig von der tatsächlichen Berechtigung dieses Einwandes werden damit Vorbehalte in der Zielgruppe angedeutet, die bei einem Gruppenansatz und einem zu einseitigen Fokus auf De-Eskalation die Wirkung der Maßnahme verringern könnten. Insofern erscheint ein modularer Aufbau der Webinarreihe als sinnvoll, sodass die Mitarbeitenden jeweils solche Themen wählen können, die in ihrer jeweiligen Situation besonders relevant erscheinen. Eine Übersichtsinformation (auf Papier und digital) sollte das Angebot insgesamt vorstellen und insbesondere den Amtsleitungen Tipps zur Themenwahl, zur Schwerpunktsetzung und zur Einladung der Mitarbeitenden geben.

    Möglicherweise könnte die Webinar-Reihe bei der Brandenburgischen Kommunalakademie angesiedelt werden und in die „Ausbildung der Ausbilder“ sowie die Aus- und Fortbildungslehrgänge und das „freie“ Seminarangebot integriert werden. Für die Realisierung kommen private Unternehmen in Frage, die Erfahrung mit Online-Learning haben. Die Kommunikation zur Webinar-Reihe sollte über Verwaltungsrundschreiben sowie Publikation in Fachmedien und allgemeiner Presse erfolgen.

  • Kommunalpolitische Gremien

    Angriffe innerhalb des kommunalpolitischen Raums machen einen erheblichen Teil der in der quantitativen Befragung berichteten Vorfälle aus: Mehr als ein Drittel der befragten Opfer (36 %) sagt, dass die erlebten Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen oder Gewalt typischerweise von Mitgliedern anderer Fraktionen oder Parteien ihrer Kommune oder ihres Kreises ausgingen. Weitere 7 % verorten die Urheberschaft in der eigenen Fraktion oder Partei. Zusammengenommen sehen 44 % die Täterschaft damit innerhalb des kommunalpolitischen Raums selbst. Allerdings gehören praktische Maßnahmen in den Gremien (oder im Amt) nur in 3 % der Fälle zu den berichteten Reaktionen.

    Auch die qualitative Befragung gibt Hinweise auf Handlungsbedarf mit dem Fokus auf die Mitgliedschaft der kommunalpolitischen Gremien. In der Gruppe der interviewten Kommunalpolitikerinnen oder -politiker gab es kaum jemanden, der nicht von einem deutlich rauer gewordenen Klima im jeweiligen kommunalen Gremium berichtete, bis hin zu einer vergifteten Arbeitsatmosphäre, in die sich einige Rats- und Ausschussmitglieder kaum mehr hineintrauten.

    In den Interviews – mit Expertenpersonen wie auch erfahrenen Amts-und Mandatspersonen – gab es mehrfach auch Hinweise darauf, dass erhebliche Wissenslücken der kommunalen Abgeordneten im Hinblick auf das Zusammenwirken der einzelnen legislativen und exekutiven Ebenen sowie die Rechte und Pflichten als Mitglied eines Kommunalparlaments für Konflikte, Spannungen und Auseinandersetzungen eine große Rolle spielen. Eine Expertenperson sprach von einem „drastischen Defizit in allgemeiner politischer Bildung“ bei zahlreichen Mandatspersonen, insbesondere solchen, die ihr Mandat erst vor kurzem angetreten haben. Eine weitere Interviewte sieht gar eine sukzessive Verschlechterung des Kompetenzniveaus: „Mit jeder Wahlperiode nimmt die Qualifikation der Kandidaten und SVV-Mitglieder ab. Die Unkenntnis führt zu Konflikten in den Sitzungen.“ Ebenfalls war die Rede davon, dass die Parteien selbst – trotz der über ihre Stiftungen organisierten Angebote für die Kommunalpolitik – in den letzten Jahren weniger für die Qualifikation ihrer Mandatsträger und -trägerinnen unternommen hätten.

    Insofern zielt die primäre Empfehlung des Forschungsteams in diesem Handlungsfeld auf eine quantitative und qualitative Verbesserung der Fortbildung von Mandatspersonen, die sich in Brandenburger Kommunalparlamenten engagieren.

    Die quantitative Verbesserung bezieht sich auf das vermehrte Angebot von Trainings und Seminaren für die spezielle Zielgruppe der Mandatspersonen. Bislang scheint – nach einer Sichtung der entsprechenden Webauftritte – weder aus dem (konzeptionell breit gefächerten) Angebot der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung noch dem (auf die Verwaltung ausgerichteten) Programm der Brandenburgischen Kommunalakademie ein Curriculum erkennbar, das Themen für die Zielgruppe in den Parlamenten ausreichend abdeckt.

    Die qualitative Verbesserung spricht mehrere Aspekte an. Zum einen bedeutet die im Wesentlichen durch die einzelnen Parteien organisierte politische (Weiter-) Bildung der Abgeordneten, dass in ihrem Rahmen weder Begegnungen von Abgeordneten unterschiedlicher oder antagonistischer Parteien erfolgen, noch eine gemeinsamer – und vereinender – inhaltlicher Standard erreicht wird. Zum anderen sind damit die optimierbaren Rahmenbedingungen für die Qualifizierung der Abgeordneten gemeint. Bislang handelt es sich um eine „Holschuld“ jedes und jeder einzelnen Abgeordneten. In diesem Kontext wird auf den Umstand hingewiesen, dass in unserem Land für fast jede mehr oder weniger verantwortungsvolle Tätigkeit eine Ausbildung oder mindestens ein Zertifikat erforderlich ist – nicht aber für die Tätigkeit als Abgeordnete oder Abgeordneter oder auch die Übernahme einer ehrenamtlichen Bürgermeisterfunktion. Das Forschungsteam argumentiert hier allerdings keineswegs im Sinne einer „Verpflichtung“ für Politikerinnen oder Politiker, eine wie auch immer geartete Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren. Vielmehr empfehlen wir, einen Diskurs darüber zu initiieren, wie die (Weiter-) Qualifikation von Kommunalpolitikerinnen und -politikern deutlich attraktiver als heute gestaltet werden kann.

    Dies gilt insbesondere für Mandatspersonen, die aufgrund ihrer hohen Belastungen in Beruf oder Familie oder mangelnder Übung mit üblichen Bildungsformaten eher zurückhaltend in der Wahrnehmung von Lernangeboten sein dürften. Zwar können Angebote der politischen Bildung unter bestimmten Bedingungen als Bildungsurlaub anerkannt werden – aber davon profitieren weder Hausmänner oder -frauen noch Selbständige oder Menschen in der Ausbildung oder in der Rentenphase. Insofern sollte aus Sicht der Autorinnen und Autoren über die Möglichkeit diskutiert werden, ein bestimmtes Zeitkontingent für Qualifikation nicht nur kostenlos anzubieten, sondern sogar inklusive der Anreisekosten aktiv zu vergüten, um das zusätzliche Engagement zu der ohnehin anspruchsvollen Wahrnehmung des kommunalpolitischen Mandats zu würdigen.

    Inhaltlich bietet das (allerdings um Themen im Kontext von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen zu ergänzende) Themenangebot der Akademie für Kommunalpolitik Hessen e.V.64 eine hervorragende Basis für ein kommunalpolitisches Curriculum, das zudem auch für Organisationen der Zivilgesellschaft und Amtspersonen attraktiv sein kann. Zu den wichtigsten Inhalten eines Angebots für Brandenburg könnten etwa folgende Themen gehören:

    • Grundlagen der Brandenburger Kommunalverfassung
    • Rechte und Pflichten als Mitglied eines Kommunalparlaments
    • Rhetorik und Auftreten; Rhetorik speziell für Frauen und junge Abgeordnete
    • mögliche Spannungsfelder zwischen Parteien, Fraktionen und direkt Gewählten
    • Bau- und Planungsrecht
    • Kommunalen Haushalt lesen und verstehen
    • strategische Steuerungsmodelle in der Kommunalpolitik
    • Sitzungsleitung und -dokumentation
    • Redekultur in den Gremien: Spielregeln auch für Debatten
    • Verantwortung in Aufsichtsräten und Eigenbetrieben
    • Beteiligung der Bürgerschaft, Beteiligung von Jugendlichen und Seniorinnen und Senioren
    • Interkommunale Zusammenarbeit
    • Kommunales Leitbild in Zusammenarbeit von Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerschaft entwickeln
    • Issues Management in der Kommunalpolitik
    • Konflikte frühzeitig erkennen und managen
    • Deeskalation oder Konfrontation bei Angriffen?
    • Etc.

    Ein spezifisches Thema für ein solches kommunalpolitisches Curriculum möchte das Autorenteam hervorheben: Die Entwicklung eines kommunalen Leitbilds in Zusammenarbeit von Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerschaft. Wie bei anderen Leitbild-Entwicklungen kommt es sowohl auf den Prozess wie auf das Ergebnis (das Leitbild selbst) an – beide können in Kommunen eine erhebliche Veränderungswirkung und eine Ausrichtung auf gemeinsame Ziele entfalten. Das erforderliche Prozess-Know-how dafür kann im Rahmen des oben beschriebenen Akademieangebots vermittelt werden, aber auch in Veranstaltungen der kommunalen Spitzenverbände oder z. B. durch regionale Beratungsteams. Aus dem Kreis der Interviewten unserer qualitativen Befragung wurde mehrfach auf die Wichtigkeit einer „Null-Toleranz-Strategie“ gegen Hetze, Drohungen und Gewalt hingewiesen. Die Vorteile und Herausforderungen einer solchen grundlegenden Orientierung lassen sich im Rahmen der Entwicklung eines kommunalen Leitbildes gut diskutieren und in geeigneter Form im Leitbilddokument verankern.

    Aus Sicht des Autorenteams ist eine Bündelung des Themen- und Kursangebots an einer Stelle sinnvoll, ein Aufsplitten sollte wegen der Nachteile für Kommunikation und Zugänglichkeit vermieden werden. Das schließt aber die Realisierung der einzelnen Formate durch unterschiedliche Dienstleister keineswegs aus.

    Als erster Schritt sollte ein Abstimmungsgespräch zwischen dem MIK (Ministerium des Innern und für Kommunales) und den Spitzen der für kommunale politische Bildung aktiven (v. a. Partei-) Stiftungen, den Institutionen der politischen Bildung und der Fortbildung für die kommunale Verwaltung stattfinden.

    Durch einen digitalen Newsletter65, der mehrmals jährlich erscheint, könnte das kommunalpolitische Bildungsprogramm kostengünstig und regelmäßig an jede einzelne Mandatsperson (und in die Verwaltungen) herangetragen werden. Voraussetzung dafür ist ein inhaltlich attraktives und nutzenorientiertes Angebot sowie ein „Opt-In“- und Registrierungsverfahren, über das interessierte Mandatspersonen (und Verwaltungen) den Newsletter bestellen können. Das Instrument stellt zudem aus Sicht des Forschungsteams eine dringend benötigte direkte Verbindungs- und Kommunikationsmöglichkeit zwischen Landesregierung und kommunaler Ebene her.

    In den Workshops mit Expertenpersonen nahm eine weitere Idee Gestalt an, die sich an Vorbilder66 in anderen gesellschaftlichen Bereichen anlehnt: Die Entwicklung und Realisierung eines „Sitzungskoffers“ für Personen mit Führungsaufgaben im kommunalpolitischen Feld (z. B. die gewählten Vorsitzenden der Kreistage, die ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister oder die Fraktionsvorsitzenden). Die Grundidee zielt darauf ab, über einfache Gegenstände bestimmte Überlegungen und Prozesse zu veranschaulichen und zu stimulieren, die förderlich auf eine effiziente Sitzungsleitung und de-eskalierende Gesprächsführung wirken können. Beispielsweise könnten zum Inhalt eines solchen „Sitzungskoffers“ gehören:

    • eine Sitzungsglocke
    • Tischaufsteller für Sitzungsregeln
    • farbige Stimmkarten
    • Brandenburger Kommunalverfassung und wichtige Rechtstexte für die kommunalpolitische Praxis
    • Musterchecklisten zur Sitzungsvorbereitung und -dokumentation
    • Tipps für lebhafte und respektvolle Debattenführung
    • unterschiedliche Beispiele für Gremienleitbilder
    • Tipps zur Einbeziehung der Bürgerschaft
    • Beratungsadressen- und Telefonnummern
    • etc.

    Die verschiedenen Texte sollen ausdrücklich lediglich als Anregungen für die jeweils spezifische lokale Auseinandersetzung mit der Thematik dienen und sowohl als Print- wie digitale Vorlage bereitgestellt werden. Die inhaltliche Entwicklung und technische Realisierung kann teilweise auf vorhandene so genannte „Demokratiekoffer“ zurückgreifen und in Zusammenarbeit mit Verbänden oder Stiftungen erfolgen – ggf. auch länderübergreifend.


    64 Überblick der Angebote: Akademie für Kommunalpolitik Hessen e.V. (2021): Jahresprogramm 2022. Abgerufen über https://afk-hessen.de/wp-content/uploads/2021/12/AfK_Jahresprogramm-2022-1.pdf am 30.12.2021.; sowie das Angebot anderer Akademien.

    65 Ein ähnliches Informationsangebot für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in Brandenburg gab es als Druckausgabe bereits einmal in den 1990er Jahren.

    66 z. B. Notfallkoffer für IT-Administratoren oder für Vereinsvorstände.

    Angriffe innerhalb des kommunalpolitischen Raums machen einen erheblichen Teil der in der quantitativen Befragung berichteten Vorfälle aus: Mehr als ein Drittel der befragten Opfer (36 %) sagt, dass die erlebten Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen oder Gewalt typischerweise von Mitgliedern anderer Fraktionen oder Parteien ihrer Kommune oder ihres Kreises ausgingen. Weitere 7 % verorten die Urheberschaft in der eigenen Fraktion oder Partei. Zusammengenommen sehen 44 % die Täterschaft damit innerhalb des kommunalpolitischen Raums selbst. Allerdings gehören praktische Maßnahmen in den Gremien (oder im Amt) nur in 3 % der Fälle zu den berichteten Reaktionen.

    Auch die qualitative Befragung gibt Hinweise auf Handlungsbedarf mit dem Fokus auf die Mitgliedschaft der kommunalpolitischen Gremien. In der Gruppe der interviewten Kommunalpolitikerinnen oder -politiker gab es kaum jemanden, der nicht von einem deutlich rauer gewordenen Klima im jeweiligen kommunalen Gremium berichtete, bis hin zu einer vergifteten Arbeitsatmosphäre, in die sich einige Rats- und Ausschussmitglieder kaum mehr hineintrauten.

    In den Interviews – mit Expertenpersonen wie auch erfahrenen Amts-und Mandatspersonen – gab es mehrfach auch Hinweise darauf, dass erhebliche Wissenslücken der kommunalen Abgeordneten im Hinblick auf das Zusammenwirken der einzelnen legislativen und exekutiven Ebenen sowie die Rechte und Pflichten als Mitglied eines Kommunalparlaments für Konflikte, Spannungen und Auseinandersetzungen eine große Rolle spielen. Eine Expertenperson sprach von einem „drastischen Defizit in allgemeiner politischer Bildung“ bei zahlreichen Mandatspersonen, insbesondere solchen, die ihr Mandat erst vor kurzem angetreten haben. Eine weitere Interviewte sieht gar eine sukzessive Verschlechterung des Kompetenzniveaus: „Mit jeder Wahlperiode nimmt die Qualifikation der Kandidaten und SVV-Mitglieder ab. Die Unkenntnis führt zu Konflikten in den Sitzungen.“ Ebenfalls war die Rede davon, dass die Parteien selbst – trotz der über ihre Stiftungen organisierten Angebote für die Kommunalpolitik – in den letzten Jahren weniger für die Qualifikation ihrer Mandatsträger und -trägerinnen unternommen hätten.

    Insofern zielt die primäre Empfehlung des Forschungsteams in diesem Handlungsfeld auf eine quantitative und qualitative Verbesserung der Fortbildung von Mandatspersonen, die sich in Brandenburger Kommunalparlamenten engagieren.

    Die quantitative Verbesserung bezieht sich auf das vermehrte Angebot von Trainings und Seminaren für die spezielle Zielgruppe der Mandatspersonen. Bislang scheint – nach einer Sichtung der entsprechenden Webauftritte – weder aus dem (konzeptionell breit gefächerten) Angebot der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung noch dem (auf die Verwaltung ausgerichteten) Programm der Brandenburgischen Kommunalakademie ein Curriculum erkennbar, das Themen für die Zielgruppe in den Parlamenten ausreichend abdeckt.

    Die qualitative Verbesserung spricht mehrere Aspekte an. Zum einen bedeutet die im Wesentlichen durch die einzelnen Parteien organisierte politische (Weiter-) Bildung der Abgeordneten, dass in ihrem Rahmen weder Begegnungen von Abgeordneten unterschiedlicher oder antagonistischer Parteien erfolgen, noch eine gemeinsamer – und vereinender – inhaltlicher Standard erreicht wird. Zum anderen sind damit die optimierbaren Rahmenbedingungen für die Qualifizierung der Abgeordneten gemeint. Bislang handelt es sich um eine „Holschuld“ jedes und jeder einzelnen Abgeordneten. In diesem Kontext wird auf den Umstand hingewiesen, dass in unserem Land für fast jede mehr oder weniger verantwortungsvolle Tätigkeit eine Ausbildung oder mindestens ein Zertifikat erforderlich ist – nicht aber für die Tätigkeit als Abgeordnete oder Abgeordneter oder auch die Übernahme einer ehrenamtlichen Bürgermeisterfunktion. Das Forschungsteam argumentiert hier allerdings keineswegs im Sinne einer „Verpflichtung“ für Politikerinnen oder Politiker, eine wie auch immer geartete Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren. Vielmehr empfehlen wir, einen Diskurs darüber zu initiieren, wie die (Weiter-) Qualifikation von Kommunalpolitikerinnen und -politikern deutlich attraktiver als heute gestaltet werden kann.

    Dies gilt insbesondere für Mandatspersonen, die aufgrund ihrer hohen Belastungen in Beruf oder Familie oder mangelnder Übung mit üblichen Bildungsformaten eher zurückhaltend in der Wahrnehmung von Lernangeboten sein dürften. Zwar können Angebote der politischen Bildung unter bestimmten Bedingungen als Bildungsurlaub anerkannt werden – aber davon profitieren weder Hausmänner oder -frauen noch Selbständige oder Menschen in der Ausbildung oder in der Rentenphase. Insofern sollte aus Sicht der Autorinnen und Autoren über die Möglichkeit diskutiert werden, ein bestimmtes Zeitkontingent für Qualifikation nicht nur kostenlos anzubieten, sondern sogar inklusive der Anreisekosten aktiv zu vergüten, um das zusätzliche Engagement zu der ohnehin anspruchsvollen Wahrnehmung des kommunalpolitischen Mandats zu würdigen.

    Inhaltlich bietet das (allerdings um Themen im Kontext von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen zu ergänzende) Themenangebot der Akademie für Kommunalpolitik Hessen e.V.64 eine hervorragende Basis für ein kommunalpolitisches Curriculum, das zudem auch für Organisationen der Zivilgesellschaft und Amtspersonen attraktiv sein kann. Zu den wichtigsten Inhalten eines Angebots für Brandenburg könnten etwa folgende Themen gehören:

    • Grundlagen der Brandenburger Kommunalverfassung
    • Rechte und Pflichten als Mitglied eines Kommunalparlaments
    • Rhetorik und Auftreten; Rhetorik speziell für Frauen und junge Abgeordnete
    • mögliche Spannungsfelder zwischen Parteien, Fraktionen und direkt Gewählten
    • Bau- und Planungsrecht
    • Kommunalen Haushalt lesen und verstehen
    • strategische Steuerungsmodelle in der Kommunalpolitik
    • Sitzungsleitung und -dokumentation
    • Redekultur in den Gremien: Spielregeln auch für Debatten
    • Verantwortung in Aufsichtsräten und Eigenbetrieben
    • Beteiligung der Bürgerschaft, Beteiligung von Jugendlichen und Seniorinnen und Senioren
    • Interkommunale Zusammenarbeit
    • Kommunales Leitbild in Zusammenarbeit von Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerschaft entwickeln
    • Issues Management in der Kommunalpolitik
    • Konflikte frühzeitig erkennen und managen
    • Deeskalation oder Konfrontation bei Angriffen?
    • Etc.

    Ein spezifisches Thema für ein solches kommunalpolitisches Curriculum möchte das Autorenteam hervorheben: Die Entwicklung eines kommunalen Leitbilds in Zusammenarbeit von Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerschaft. Wie bei anderen Leitbild-Entwicklungen kommt es sowohl auf den Prozess wie auf das Ergebnis (das Leitbild selbst) an – beide können in Kommunen eine erhebliche Veränderungswirkung und eine Ausrichtung auf gemeinsame Ziele entfalten. Das erforderliche Prozess-Know-how dafür kann im Rahmen des oben beschriebenen Akademieangebots vermittelt werden, aber auch in Veranstaltungen der kommunalen Spitzenverbände oder z. B. durch regionale Beratungsteams. Aus dem Kreis der Interviewten unserer qualitativen Befragung wurde mehrfach auf die Wichtigkeit einer „Null-Toleranz-Strategie“ gegen Hetze, Drohungen und Gewalt hingewiesen. Die Vorteile und Herausforderungen einer solchen grundlegenden Orientierung lassen sich im Rahmen der Entwicklung eines kommunalen Leitbildes gut diskutieren und in geeigneter Form im Leitbilddokument verankern.

    Aus Sicht des Autorenteams ist eine Bündelung des Themen- und Kursangebots an einer Stelle sinnvoll, ein Aufsplitten sollte wegen der Nachteile für Kommunikation und Zugänglichkeit vermieden werden. Das schließt aber die Realisierung der einzelnen Formate durch unterschiedliche Dienstleister keineswegs aus.

    Als erster Schritt sollte ein Abstimmungsgespräch zwischen dem MIK (Ministerium des Innern und für Kommunales) und den Spitzen der für kommunale politische Bildung aktiven (v. a. Partei-) Stiftungen, den Institutionen der politischen Bildung und der Fortbildung für die kommunale Verwaltung stattfinden.

    Durch einen digitalen Newsletter65, der mehrmals jährlich erscheint, könnte das kommunalpolitische Bildungsprogramm kostengünstig und regelmäßig an jede einzelne Mandatsperson (und in die Verwaltungen) herangetragen werden. Voraussetzung dafür ist ein inhaltlich attraktives und nutzenorientiertes Angebot sowie ein „Opt-In“- und Registrierungsverfahren, über das interessierte Mandatspersonen (und Verwaltungen) den Newsletter bestellen können. Das Instrument stellt zudem aus Sicht des Forschungsteams eine dringend benötigte direkte Verbindungs- und Kommunikationsmöglichkeit zwischen Landesregierung und kommunaler Ebene her.

    In den Workshops mit Expertenpersonen nahm eine weitere Idee Gestalt an, die sich an Vorbilder66 in anderen gesellschaftlichen Bereichen anlehnt: Die Entwicklung und Realisierung eines „Sitzungskoffers“ für Personen mit Führungsaufgaben im kommunalpolitischen Feld (z. B. die gewählten Vorsitzenden der Kreistage, die ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister oder die Fraktionsvorsitzenden). Die Grundidee zielt darauf ab, über einfache Gegenstände bestimmte Überlegungen und Prozesse zu veranschaulichen und zu stimulieren, die förderlich auf eine effiziente Sitzungsleitung und de-eskalierende Gesprächsführung wirken können. Beispielsweise könnten zum Inhalt eines solchen „Sitzungskoffers“ gehören:

    • eine Sitzungsglocke
    • Tischaufsteller für Sitzungsregeln
    • farbige Stimmkarten
    • Brandenburger Kommunalverfassung und wichtige Rechtstexte für die kommunalpolitische Praxis
    • Musterchecklisten zur Sitzungsvorbereitung und -dokumentation
    • Tipps für lebhafte und respektvolle Debattenführung
    • unterschiedliche Beispiele für Gremienleitbilder
    • Tipps zur Einbeziehung der Bürgerschaft
    • Beratungsadressen- und Telefonnummern
    • etc.

    Die verschiedenen Texte sollen ausdrücklich lediglich als Anregungen für die jeweils spezifische lokale Auseinandersetzung mit der Thematik dienen und sowohl als Print- wie digitale Vorlage bereitgestellt werden. Die inhaltliche Entwicklung und technische Realisierung kann teilweise auf vorhandene so genannte „Demokratiekoffer“ zurückgreifen und in Zusammenarbeit mit Verbänden oder Stiftungen erfolgen – ggf. auch länderübergreifend.


    64 Überblick der Angebote: Akademie für Kommunalpolitik Hessen e.V. (2021): Jahresprogramm 2022. Abgerufen über https://afk-hessen.de/wp-content/uploads/2021/12/AfK_Jahresprogramm-2022-1.pdf am 30.12.2021.; sowie das Angebot anderer Akademien.

    65 Ein ähnliches Informationsangebot für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in Brandenburg gab es als Druckausgabe bereits einmal in den 1990er Jahren.

    66 z. B. Notfallkoffer für IT-Administratoren oder für Vereinsvorstände.

  • Landespolitik

    In den qualitativen Interviews geben zahlreiche Interviewte Hinweise darauf, dass sie einen Teil der Verantwortung

    • † für die Zunahme von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen sowie
    • deren (aus ihrer Sicht) mangelhafter Bewältigung

    „beim Staat“ sehen. Dabei wird kaum zwischen den einzelnen Ebenen staatlichen Handelns und auch wenig zwischen Legislative, Exekutive und Jurisdiktion unterschieden: Es sind aus der Sicht vor Ort jedenfalls „übergeordnete Instanzen“, die die Verantwortung tragen.

    Auch die Zuschreibung der Verantwortung für die als mangelhaft wahrgenommene Bewältigung von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen richtet sich auf die Landes- und Bundesebene: Sie wird von mehreren interviewten Personen auf ein „Staatsversagen“ (so der Verwaltungschef einer Großstadt in Brandenburg) zurückgeführt. Konkreter, und auf die Landesebene in Brandenburg bezogen, wird in mehreren Fällen die Kapazität von Polizei und Justizsystem in der Verfolgung von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen als unzureichend empfunden. Von Ausnahmen abgesehen geht das nicht mit einem Misstrauen gegenüber einzelnen konkreten Personen bei Polizei und Justiz einher. Vielmehr gelten Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz wegen einer von vielen Interviewten wahrgenommenen Überlastung als unfähig, sich angemessen um Ermittlungen, Strafverfolgung bzw. juristische Aufarbeitung zu kümmern. Entsprechend häufig war eine resignative Haltung anzutreffen: „Wir fühlen uns vom Staat alleingelassen“ brachte eine Amtsperson an der Spitze einer großen Verwaltung ihre Frustration auf den Punkt.

    Deutlich sind auch die Befunde der quantitativen Befragung, die an anderer Stelle dieses Berichts ausgeführt wurden. Hier nur einige wichtige Daten in Kurzform: So haben die von Beleidigungen Betroffenen zu mehr als zwei Dritteln niemals eine Beleidigung angezeigt. Ein ähnlicher Wert gilt für Bedrohungen. Und selbst bei erlittenen Gewalttaten sagten deutlich mehr als die Hälfte, dass sie auf eine Anzeige verzichtet haben. Die Gründe liegen in mangelnder Zuversicht im Hinblick auf den Erfolg einer Anzeige. Die Erfahrungen der Betroffenen spiegeln sich auch in absoluten Zahlen wider: Von 454 berichteten Anzeigen gegen Beleidigungen kam es aus Sicht der Antwortenden in nur 13 Fällen zu Verurteilungen. Von 149 Bedrohungen wurden 8 Fälle verurteilt. Bei 599 angezeigten Sachbeschädigungen kam es nach Angaben der Antwortenden zu 17 Verurteilungen. Und schließlich wurden von 17 angezeigten Gewalttaten bzw. körperlichen Übergriffen nur 4 mit einem Urteil abgeschlossen. Bei expliziter Nachfrage hielten 63 % der Betroffenen den Aufwand im Vergleich zum möglichen Nutzen „häufig“ und weitere 23 % „manchmal“ für zu hoch.

    Deshalb richten sich die Empfehlungen des Forschungsteams auf die Entwicklung und Realisierung eines Maßnahmenpakets zur Stärkung des Vertrauens in Polizei und Justiz. Denn ein höheres Maß an Vertrauen in Polizei und Justiz kann zu einer höheren Anzeigebereitschaft und über den resultierenden Druck von Ermittlungen und Strafverfolgung zu einer abschreckenden Wirkung im Hinblick auf Straftaten gegen Amtsund Mandatspersonen führen. Vorgeschlagen wird eine Bündelung von Maßnahmen mit folgenden Facetten:

    • Ausbau der Hotline beim Polizeipräsidium Potsdam zu echtem 24/7/365 – Service (zur Umsetzung siehe oben)
    • Stärkung der Betroffenenberatung in jeder geeigneten Dienststelle von Polizei / Strafverfolgungsbehörden / Justiz durch Benennung einer dedizierten Ansprechperson
    • Aufnahme des Themas ‚Angriffe gegen Amts- und Mandatspersonen‘ in das polizeiliche Aus- und Fortbildungsprogramm
    • Darüberhinausgehende Schulungen durch Online- oder Live-Kurse: z. B. zur rechtlichen Einordnung und zum empathisch-wertschätzenden Umgang mit Betroffenen
    • Ausbau der polizeilichen Präventionsberatung und damit auch der Sichtbarkeit von Polizei durch aktives Angebot von Informations- und Beratungsveranstaltungen in allen Brandenburger Kommunen. 67 Bei derartigen Terminen könnte auch aktiv nach individuellem Beratungsdarf im Hinblick auf Unterstützung bei Anzeigen oder Begleitung von Ermittlungs- oder Strafverfahren gefragt werden, der dann an Organisationen der Opfer- bzw. Betroffenenberatung weitergeleitet werden kann.

    Diese Maßnahmen sollten in eine breite und nachhaltige Informationskampagne eingebettet werden, die u. a. eine wiederholte Ansprache der kommunalen Verwaltungen, der kommunalpolitisch aktiven Parteien und Gruppen sowie der einzelnen Mandatspersonen einschließt.

    Das Autorenteam geht davon aus, dass die oben genannten Maßnahmen einen deutlichen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens in Polizei und Justiz leisten können – insbesondere, wenn sie vor den Hintergrund weiterer, fundamentaler Veränderungen realisiert werden. Dazu zählen

    • eine deutliche Beschleunigung der einzelnen Verfahrensschritte in Ermittlung, Strafverfolgung und Rechtsprechung, welche nicht allein, aber auch durch
    • eine personelle Verstärkung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz,
    • sowie eine transparentere und empathische Kommunikation mit den Betroffenen / Anzeigenden während des Verfahrens.

    Darüber hinaus können auch allgemeine Kommunikationsmaßnahmen zur Stärkung des Vertrauens beitragen. Zwei Aspekte sollten aus Sicht des Autorenteams dabei im Fokus stehen:

    • Publikation von Fällen einer erfolgreichen strafrechtlichen und ggf. auch zivilrechtlichen Bewältigung von Straftaten gegen Amts- und Mandatspersonen. Dies kann beispielsweise durch eine Serie von redaktionellen Beiträgen in der kommunalpolitischen Fachpresse, vor allem aber auch in reichweitenstarken regionalen Konsumentenpublikationen („Anzeigenblätter“) erfolgen.
    • Aufklärung zur rechtlichen Qualität unterschiedlicher Angriffe gegenAmts- und Mandatspersonen mit Praxistipps zur Vorgehensweise.

    Beide Aspekte können im Kontext verschiedener, bereits zuvor angesprochener Kommunikationsvorhaben realisiert werden.


    67 Bei ca. 200 kommunalen Verwaltungseinheiten in Brandenburg und durchschnittlich nur einem Termin für Präventionsberatung pro Tag ergibt sich ein sehr überschaubarer Personalbedarf, um ein solches Angebot auch im Flächenland Brandenburg innerhalb eines Jahres umfassend zu realisieren.

    In den qualitativen Interviews geben zahlreiche Interviewte Hinweise darauf, dass sie einen Teil der Verantwortung

    • † für die Zunahme von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen sowie
    • deren (aus ihrer Sicht) mangelhafter Bewältigung

    „beim Staat“ sehen. Dabei wird kaum zwischen den einzelnen Ebenen staatlichen Handelns und auch wenig zwischen Legislative, Exekutive und Jurisdiktion unterschieden: Es sind aus der Sicht vor Ort jedenfalls „übergeordnete Instanzen“, die die Verantwortung tragen.

    Auch die Zuschreibung der Verantwortung für die als mangelhaft wahrgenommene Bewältigung von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen richtet sich auf die Landes- und Bundesebene: Sie wird von mehreren interviewten Personen auf ein „Staatsversagen“ (so der Verwaltungschef einer Großstadt in Brandenburg) zurückgeführt. Konkreter, und auf die Landesebene in Brandenburg bezogen, wird in mehreren Fällen die Kapazität von Polizei und Justizsystem in der Verfolgung von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen als unzureichend empfunden. Von Ausnahmen abgesehen geht das nicht mit einem Misstrauen gegenüber einzelnen konkreten Personen bei Polizei und Justiz einher. Vielmehr gelten Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz wegen einer von vielen Interviewten wahrgenommenen Überlastung als unfähig, sich angemessen um Ermittlungen, Strafverfolgung bzw. juristische Aufarbeitung zu kümmern. Entsprechend häufig war eine resignative Haltung anzutreffen: „Wir fühlen uns vom Staat alleingelassen“ brachte eine Amtsperson an der Spitze einer großen Verwaltung ihre Frustration auf den Punkt.

    Deutlich sind auch die Befunde der quantitativen Befragung, die an anderer Stelle dieses Berichts ausgeführt wurden. Hier nur einige wichtige Daten in Kurzform: So haben die von Beleidigungen Betroffenen zu mehr als zwei Dritteln niemals eine Beleidigung angezeigt. Ein ähnlicher Wert gilt für Bedrohungen. Und selbst bei erlittenen Gewalttaten sagten deutlich mehr als die Hälfte, dass sie auf eine Anzeige verzichtet haben. Die Gründe liegen in mangelnder Zuversicht im Hinblick auf den Erfolg einer Anzeige. Die Erfahrungen der Betroffenen spiegeln sich auch in absoluten Zahlen wider: Von 454 berichteten Anzeigen gegen Beleidigungen kam es aus Sicht der Antwortenden in nur 13 Fällen zu Verurteilungen. Von 149 Bedrohungen wurden 8 Fälle verurteilt. Bei 599 angezeigten Sachbeschädigungen kam es nach Angaben der Antwortenden zu 17 Verurteilungen. Und schließlich wurden von 17 angezeigten Gewalttaten bzw. körperlichen Übergriffen nur 4 mit einem Urteil abgeschlossen. Bei expliziter Nachfrage hielten 63 % der Betroffenen den Aufwand im Vergleich zum möglichen Nutzen „häufig“ und weitere 23 % „manchmal“ für zu hoch.

    Deshalb richten sich die Empfehlungen des Forschungsteams auf die Entwicklung und Realisierung eines Maßnahmenpakets zur Stärkung des Vertrauens in Polizei und Justiz. Denn ein höheres Maß an Vertrauen in Polizei und Justiz kann zu einer höheren Anzeigebereitschaft und über den resultierenden Druck von Ermittlungen und Strafverfolgung zu einer abschreckenden Wirkung im Hinblick auf Straftaten gegen Amtsund Mandatspersonen führen. Vorgeschlagen wird eine Bündelung von Maßnahmen mit folgenden Facetten:

    • Ausbau der Hotline beim Polizeipräsidium Potsdam zu echtem 24/7/365 – Service (zur Umsetzung siehe oben)
    • Stärkung der Betroffenenberatung in jeder geeigneten Dienststelle von Polizei / Strafverfolgungsbehörden / Justiz durch Benennung einer dedizierten Ansprechperson
    • Aufnahme des Themas ‚Angriffe gegen Amts- und Mandatspersonen‘ in das polizeiliche Aus- und Fortbildungsprogramm
    • Darüberhinausgehende Schulungen durch Online- oder Live-Kurse: z. B. zur rechtlichen Einordnung und zum empathisch-wertschätzenden Umgang mit Betroffenen
    • Ausbau der polizeilichen Präventionsberatung und damit auch der Sichtbarkeit von Polizei durch aktives Angebot von Informations- und Beratungsveranstaltungen in allen Brandenburger Kommunen. 67 Bei derartigen Terminen könnte auch aktiv nach individuellem Beratungsdarf im Hinblick auf Unterstützung bei Anzeigen oder Begleitung von Ermittlungs- oder Strafverfahren gefragt werden, der dann an Organisationen der Opfer- bzw. Betroffenenberatung weitergeleitet werden kann.

    Diese Maßnahmen sollten in eine breite und nachhaltige Informationskampagne eingebettet werden, die u. a. eine wiederholte Ansprache der kommunalen Verwaltungen, der kommunalpolitisch aktiven Parteien und Gruppen sowie der einzelnen Mandatspersonen einschließt.

    Das Autorenteam geht davon aus, dass die oben genannten Maßnahmen einen deutlichen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens in Polizei und Justiz leisten können – insbesondere, wenn sie vor den Hintergrund weiterer, fundamentaler Veränderungen realisiert werden. Dazu zählen

    • eine deutliche Beschleunigung der einzelnen Verfahrensschritte in Ermittlung, Strafverfolgung und Rechtsprechung, welche nicht allein, aber auch durch
    • eine personelle Verstärkung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz,
    • sowie eine transparentere und empathische Kommunikation mit den Betroffenen / Anzeigenden während des Verfahrens.

    Darüber hinaus können auch allgemeine Kommunikationsmaßnahmen zur Stärkung des Vertrauens beitragen. Zwei Aspekte sollten aus Sicht des Autorenteams dabei im Fokus stehen:

    • Publikation von Fällen einer erfolgreichen strafrechtlichen und ggf. auch zivilrechtlichen Bewältigung von Straftaten gegen Amts- und Mandatspersonen. Dies kann beispielsweise durch eine Serie von redaktionellen Beiträgen in der kommunalpolitischen Fachpresse, vor allem aber auch in reichweitenstarken regionalen Konsumentenpublikationen („Anzeigenblätter“) erfolgen.
    • Aufklärung zur rechtlichen Qualität unterschiedlicher Angriffe gegenAmts- und Mandatspersonen mit Praxistipps zur Vorgehensweise.

    Beide Aspekte können im Kontext verschiedener, bereits zuvor angesprochener Kommunikationsvorhaben realisiert werden.


    67 Bei ca. 200 kommunalen Verwaltungseinheiten in Brandenburg und durchschnittlich nur einem Termin für Präventionsberatung pro Tag ergibt sich ein sehr überschaubarer Personalbedarf, um ein solches Angebot auch im Flächenland Brandenburg innerhalb eines Jahres umfassend zu realisieren.


Fokus: Verwaltungen und Handelnde der Zivilgesellschaft

Analyse und Ideen in folgenden Handlungsfeldern (Studie Kapitel 7)

Analyse und Ideen in folgenden Handlungsfeldern (Studie Kapitel 7)

  • Transparenz und Partizipation

    Die hier vorgestellten Überlegungen greifen Hinweise aus dem Kreis der interviewten Amts- und Mandatspersonen auf, die zum Abbau von Spannungen innerhalb der kommunalpolitischen Gremien sowie zwischen Verwaltung und Politik auf der einen und Bürgerschaft auf der anderen Seite die Nutzung von Dialogform empfehlen. Damit sollen Entscheidungen von Verwaltung und Politik besser verständlich gemacht werden („Transparenz“) und niedrigschwellige Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürgerschaft entstehen („Partizipation“).

    In diesem Zusammenhang berichtet beispielsweise einer der interviewten Stadtverordneten, dass es bereits mehrere partizipative Formate in Brandenburg gäbe, von denen andere Kommunen lernen könnten: „Partizipative Formate, Bürgerhaushalt, Zukunftsdialoge: Allerdings erreicht man damit oft nicht die normalen Familien. Deshalb könnte ein Format wie eine Bürgerkonferenz helfen: 1.000 Bürger anschreiben, daraus ein Abbild der Bevölkerung konstruieren und dann regelmäßig konsultieren, vielleicht 150 Leute bei einer mittelgroßen Stadt. Das stellt eine ergänzende Meinungsbildung zu den gewählten Gremien dar, auch als Rekrutierungspool für die Gremien.“ Ein anderes Beispiel für die Wichtigkeit lokaler Beteiligung kommt von einem der interviewten Landräte: „Die Leute fühlen sich lokal ausgegrenzt. Man muss sie lokal einbinden. Z. B. haben wir lokale Institutionen und Bevölkerung stark bei den Corona-Impfungen eingebunden, nicht einfach Spahns Strategie durchgezogen, uns über Bundesentscheidung hinweggesetzt. Das führt zu mehr Akzeptanz. Krisenbewältigung muss zusammen angegangen werden mit allen, so werden Hass versprühende Leute isoliert. Einbindung ist wichtig“.

    Aus sozial- und politikwissenschaftlicher Perspektive wird die Frage eines möglichen Vertrauens- und Legitimationszuwachses durch die Schaffung von mehr Transparenz von Verwaltungen und repräsentativer Demokratie durchaus kontrovers diskutiert70. Dagegen erscheinen die positiven Wirkungen unterschiedlicher Formen von Bürger-Partizipation vergleichsweise deutlich dokumentiert71.

    Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Autorenteam die Ausrichtung einer „Austauschkonferenz“ über die Erfahrungen von Kommunen mit Formaten, die auf die Förderung von Transparenz und Partizipation zielen. Sie sollte als Pilotveranstaltung zunächst in Potsdam organisiert werden und danach – sofern sie erfolgreich war und es weiteren Bedarf gibt – in anderen Regionen des Bundeslandes wiederholt werden, um die Teilnahme auch für kommunale Amts- und Mandatspersonen aus Regionen fern der Landeshauptstadt zu erleichtern. Dabei sollte jede Konferenz auf den Erfahrungen der vorangegangenen Veranstaltungen aufbauen. Zur Startkonferenz in Potsdam könnten auch Expertinnen und Experten aus anderen Bundesländern eingeladen werden, um weitere Erfahrungen einzubringen und dem Thema eine breitere Öffentlichkeit zu geben.

    Während der Konferenz sollten Spitzenverbände, Stiftungen und Verwaltungen Brandenburgs ihre erfolgreichsten Projekte sowie geplante kommunale Vorhaben vorstellen und sich darüber austauschen. Primär sollte sich die Konferenz an kommunale Amtsträger- und Amtsträgerinnen, an Personen mit einem kommunalpolitischen Mandat und interessierte Personen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen wenden. Damit würde in Brandenburg ein Zielgruppenpotential von geschätzt 15.000 Personen angesprochen, so dass durchaus Potential für mehrere Veranstaltungen besteht. Eine solche Konferenz sollte klar Erfolgs-und Misserfolgsfaktoren von realisierten Projekten herausarbeiten und Synergien für neue Vorhaben identifizieren. Das Format der Konferenz sollte dieser Zielsetzung mit entsprechenden – auf die Teilnahmezahlen abgestimmten – Dialogformaten Rechnung tragen. Eine ausführliche Dokumentation mit praxisnahen Realisierungshinweisen sollte nach Abschluss der Veranstaltung(en) allen Kommunen in Brandenburg, interessierten kommunalpolitischen Gremien und Organisationen zur Verfügung gestellt werden.

    Ebenfalls wäre es möglich, dass nach Abschluss der Veranstaltung(sreihe) ein Gremium aus Expertenpersonen eine Bewertung der dort diskutierten und besonderen Erfolg versprechenden Maßnahmen durchführt und dass ihre mögliche Realisierung Niederschlag im Förderkatalog existierender Programme (z. B. „Demokratie -Leben!“) findet. Gleichfalls aufbauend auf den Erfahrungen der „Austauschkonferenz“ könnte die Anregung und Förderung einer internationalen wissenschaftlichen „Good Practice Konferenz“ über die Vitalisierung der wehrhaften Demokratie gegen Gewalt, Gewaltandrohungen und sonstige Übergriffe, Einschüchterungen oder Bedrohungen erfolgen. Als möglicher Anker für eine solche Konferenz bietet sich im Brandenburger Universitätskontext die Viadrina Universität mit ihrem Institut für Konfliktmanagement sowie dem entsprechenden Master-Studiengang an.

    Die Ergänzung der im Zentrum der Empfehlungen für dieses Handlungsfeld stehenden „Austauschkonferenz“ durch die beiden letztgenannten Maßnahmen zielt darauf ab, die Thematik gleichzeitig zu vertiefen wie auch längerfristig durch unterschiedliche Anlässe im Diskurs zu halten.


    70 Z. B. Bogumil, Jörg / Kuhlmann, Sabine (2015): Legitimation von Verwaltungshandeln - Veränderungen und Konstanten. In: dms - der moderne staat - Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management. 8(2). 237-251.

    71 Z. B. Bertelsmann Stiftung / Staatsministerium Baden-Württemberg (2014): Vielfältige Demokratie. Kernergebnisse der Studie „Partizipation im Wandel - unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden“. Abgerufen über https://www.badenwuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/140905_Demokratie-Studie.pdf am 30.12.2021.

    Die hier vorgestellten Überlegungen greifen Hinweise aus dem Kreis der interviewten Amts- und Mandatspersonen auf, die zum Abbau von Spannungen innerhalb der kommunalpolitischen Gremien sowie zwischen Verwaltung und Politik auf der einen und Bürgerschaft auf der anderen Seite die Nutzung von Dialogform empfehlen. Damit sollen Entscheidungen von Verwaltung und Politik besser verständlich gemacht werden („Transparenz“) und niedrigschwellige Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürgerschaft entstehen („Partizipation“).

    In diesem Zusammenhang berichtet beispielsweise einer der interviewten Stadtverordneten, dass es bereits mehrere partizipative Formate in Brandenburg gäbe, von denen andere Kommunen lernen könnten: „Partizipative Formate, Bürgerhaushalt, Zukunftsdialoge: Allerdings erreicht man damit oft nicht die normalen Familien. Deshalb könnte ein Format wie eine Bürgerkonferenz helfen: 1.000 Bürger anschreiben, daraus ein Abbild der Bevölkerung konstruieren und dann regelmäßig konsultieren, vielleicht 150 Leute bei einer mittelgroßen Stadt. Das stellt eine ergänzende Meinungsbildung zu den gewählten Gremien dar, auch als Rekrutierungspool für die Gremien.“ Ein anderes Beispiel für die Wichtigkeit lokaler Beteiligung kommt von einem der interviewten Landräte: „Die Leute fühlen sich lokal ausgegrenzt. Man muss sie lokal einbinden. Z. B. haben wir lokale Institutionen und Bevölkerung stark bei den Corona-Impfungen eingebunden, nicht einfach Spahns Strategie durchgezogen, uns über Bundesentscheidung hinweggesetzt. Das führt zu mehr Akzeptanz. Krisenbewältigung muss zusammen angegangen werden mit allen, so werden Hass versprühende Leute isoliert. Einbindung ist wichtig“.

    Aus sozial- und politikwissenschaftlicher Perspektive wird die Frage eines möglichen Vertrauens- und Legitimationszuwachses durch die Schaffung von mehr Transparenz von Verwaltungen und repräsentativer Demokratie durchaus kontrovers diskutiert70. Dagegen erscheinen die positiven Wirkungen unterschiedlicher Formen von Bürger-Partizipation vergleichsweise deutlich dokumentiert71.

    Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Autorenteam die Ausrichtung einer „Austauschkonferenz“ über die Erfahrungen von Kommunen mit Formaten, die auf die Förderung von Transparenz und Partizipation zielen. Sie sollte als Pilotveranstaltung zunächst in Potsdam organisiert werden und danach – sofern sie erfolgreich war und es weiteren Bedarf gibt – in anderen Regionen des Bundeslandes wiederholt werden, um die Teilnahme auch für kommunale Amts- und Mandatspersonen aus Regionen fern der Landeshauptstadt zu erleichtern. Dabei sollte jede Konferenz auf den Erfahrungen der vorangegangenen Veranstaltungen aufbauen. Zur Startkonferenz in Potsdam könnten auch Expertinnen und Experten aus anderen Bundesländern eingeladen werden, um weitere Erfahrungen einzubringen und dem Thema eine breitere Öffentlichkeit zu geben.

    Während der Konferenz sollten Spitzenverbände, Stiftungen und Verwaltungen Brandenburgs ihre erfolgreichsten Projekte sowie geplante kommunale Vorhaben vorstellen und sich darüber austauschen. Primär sollte sich die Konferenz an kommunale Amtsträger- und Amtsträgerinnen, an Personen mit einem kommunalpolitischen Mandat und interessierte Personen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen wenden. Damit würde in Brandenburg ein Zielgruppenpotential von geschätzt 15.000 Personen angesprochen, so dass durchaus Potential für mehrere Veranstaltungen besteht. Eine solche Konferenz sollte klar Erfolgs-und Misserfolgsfaktoren von realisierten Projekten herausarbeiten und Synergien für neue Vorhaben identifizieren. Das Format der Konferenz sollte dieser Zielsetzung mit entsprechenden – auf die Teilnahmezahlen abgestimmten – Dialogformaten Rechnung tragen. Eine ausführliche Dokumentation mit praxisnahen Realisierungshinweisen sollte nach Abschluss der Veranstaltung(en) allen Kommunen in Brandenburg, interessierten kommunalpolitischen Gremien und Organisationen zur Verfügung gestellt werden.

    Ebenfalls wäre es möglich, dass nach Abschluss der Veranstaltung(sreihe) ein Gremium aus Expertenpersonen eine Bewertung der dort diskutierten und besonderen Erfolg versprechenden Maßnahmen durchführt und dass ihre mögliche Realisierung Niederschlag im Förderkatalog existierender Programme (z. B. „Demokratie -Leben!“) findet. Gleichfalls aufbauend auf den Erfahrungen der „Austauschkonferenz“ könnte die Anregung und Förderung einer internationalen wissenschaftlichen „Good Practice Konferenz“ über die Vitalisierung der wehrhaften Demokratie gegen Gewalt, Gewaltandrohungen und sonstige Übergriffe, Einschüchterungen oder Bedrohungen erfolgen. Als möglicher Anker für eine solche Konferenz bietet sich im Brandenburger Universitätskontext die Viadrina Universität mit ihrem Institut für Konfliktmanagement sowie dem entsprechenden Master-Studiengang an.

    Die Ergänzung der im Zentrum der Empfehlungen für dieses Handlungsfeld stehenden „Austauschkonferenz“ durch die beiden letztgenannten Maßnahmen zielt darauf ab, die Thematik gleichzeitig zu vertiefen wie auch längerfristig durch unterschiedliche Anlässe im Diskurs zu halten.


    70 Z. B. Bogumil, Jörg / Kuhlmann, Sabine (2015): Legitimation von Verwaltungshandeln - Veränderungen und Konstanten. In: dms - der moderne staat - Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management. 8(2). 237-251.

    71 Z. B. Bertelsmann Stiftung / Staatsministerium Baden-Württemberg (2014): Vielfältige Demokratie. Kernergebnisse der Studie „Partizipation im Wandel - unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden“. Abgerufen über https://www.badenwuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/140905_Demokratie-Studie.pdf am 30.12.2021.

  • Issues- und Konfliktmanagement

    Der Leitgedanke in diesem Handlungsfeld geht von der Annahme aus, dass eine frühzeitige und aktive Bearbeitung von Konflikten in Kommunen hilfreich ist, Angriffe gegen Amts- und Mandatspersonen zu verringern. Insofern kommt es darauf an, die Konfliktlinien innerhalb von Städten, Gemeinden oder größeren regionalen Einheiten frühzeitig zu erkennen, im Hinblick auf ihr Eskalations- und Gefährdungspotential zu bewerten und mit den Stakeholdern und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren der Kommune an Lösungen zu arbeiten. Bei den Konsultationen mit Experten und Expertinnen während der Workshops traf dieser Grundgedanke auf Zustimmung – allerdings gab es unterschiedliche Ansichten dazu, wie nachdrücklich ein solches Angebot an die Kommunen herangetragen werden sollte. Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass nicht Konflikte an Orten „konstruiert“ werden sollten, an denen die Akteure vor Ort keine Probleme sehen. Andererseits könne es Warnzeichen oder Frühindikatoren für Konflikte mit Eskalationspotential geben, die den Akteuren vor Ort verborgen bleiben. Ebenfalls sei es eher die Regel, dass im Hinblick auf Einschätzung von Konfliktpotentialen innerhalb der unterschiedlichen Stakeholder einer Kommune sehr unterschiedliche Meinungen bestehen.

    Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Autorenteam den Ausbau von Beratungsansätzen zur Früherkennung lokaler Konflikte und ihrem aktiven Management. Dabei sollten ausdrücklich Verfahren der „aufsuchenden Beratung“ eingesetzt werden. Damit ist gemeint, dass in persönlichen Gesprächen mit verschiedenen maßgeblichen Akteuren einer Kommune der Beratungsansatz vorgestellt wird und mit den jeweils individuellen Einschätzungen der kommunalen Situation abgeglichen wird. Inhaltlich sollten spezifische Beratungs-„Pakete“ für unterschiedliche Typen von Kommunen (Großstädte, Mittel- und Kleinstädte, Flächengemeinden/-ämter und kleine Dörfer) entwickelt werden, die beispielsweise folgende Elemente enthalten könnten:

    • Sensibilisierung für Konfliktlinien in den Kommunen, z. B. entlang von kontrovers diskutierten gesellschaftlichen Themen (etwa Wind-/Solarenergie, Kohleausstieg, Migration, Corona-Proteste) oder spezifischen lokalen Themen (z. B. Aus- oder Abbau von kommunalen Einrichtungen)
    • Sensibilisierung für lokale radikale Aktivitäten und Handelnde
    • Austausch von Erfahrungen aus anderen Kommunen oder Regionen
    • Impulse für spezifische Vorgehensweise vor Ort, z. B. Anregung lokaler Bündnisse oder von Verfahren der direkten Demokratie oderPartizipation
    • Vermittlung von Handwerkszeug für die Früherkennung (z. B. „heatmaps“) und das aktive Management von „Issues“, also kontrovers diskutierten lokalen Konfliktthemen sowie begleitender kommunaler Öffentlichkeitsarbeit
    • Hinweis auf individuelle oder für Gruppen geeignete Trainingsformate in diesem Kontext.

    Für die Realisierung des von den Autorinnen und Autoren favorisierten Ansatzes der aufsuchenden Beratung im Flächenland Brandenburg mit über 200 kommunalen Verwaltungseinheiten, die auch unabhängig von Anfragen aktiv kontaktiert werden sollten, bietet sich ein Multiplikatorverfahren an: In seinem Rahmen sollte zunächst ein Kernteam von Expertenpersonen aus Verfassungsschutz, Polizei und mobilen Beratungsteams das Angebot im Detail entwickeln. Dazu gehört beispielsweise die Definition eines prototypischen Anspracheverfahrens über mehrere Kanäle und Kontaktpartner oder -partnerinnen in den Kommunen. Anschließend könnte das Kernteam weitere Multiplikatoren trainieren, in der Durchführung der mobilen Beratung vor Ort qualifizieren und supervisieren.

    Eine weitere Aufgabe des in diesem Bereich tätigen Beratungsteams könnte es sein, für ein additiv vorstellbares Modellprojekt72 einige unterschiedliche Kommunen in Brandenburg zu identifizieren und zu gewinnen, die sich als Modellkommunen für die Prävention von radikalen Bestrebungen und die Vitalisierung der wehrhaften Demokratie gegen Gewalt, Gewaltandrohungen und sonstige Übergriffe, Einschüchterungen oder Bedrohungen eignen. Dabei könnte teilweise auf Erfahrungen aus dem Projekt des Bundesministeriums des Innern (BMI) „Modellkommune Deradikalisierung“ zurückgegriffen werden73. Die Auswertungen von Erfahrungen aus Modellprojekten, die im Unterschied dazu in Brandenburg verortet werden, verspricht einerseits Bundesland-spezifische Erkenntnisse in der Bewältigung der Herausforderungen von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen und generiert andererseits die für eine breite gesellschaftliche Diskussion notwendigen konkreten Anlässe und Referenzpunkte im Land Brandenburg74.


    72 Als mögliches Thema eines solchen Modellprojekts könnte die Einrichtung der Rolle eines „Dialogbürgermeisters“ bzw. einer „Dialogbürgermeisterin“ sein, die im Interview mit dem hauptamtlichen Bürgermeister einer großen Stadt in Brandenburg auftauchte. Eine solche Rolle mit der symbolischen „Bürgermeister“-Bezeichnung könnte ähnlich wie die in einigen Großstädten eingesetzten „Nachtbürgermeister/innen“ für bestimmte Themen oder Zielgruppen bevorzugter Ansprechmöglichkeiten bieten.

    73 Allerdings wenig ausführlichen Informationen: Bundesministerium des Innern und für Heimat (2021): MoDeRad: Modellkommune Deradikalisierung. Abgerufen über https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/extremismus/deradikalisierung/moderad-modellkommune-deradikalisierung/moderad-artikel.html am 15.11.2021.

    74 Dabei können auch die Erfahrungen der „Lokalen Konfliktberatung“ des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung BIG Demos in mehreren Städten des Bundeslandes einfließen.

    Der Leitgedanke in diesem Handlungsfeld geht von der Annahme aus, dass eine frühzeitige und aktive Bearbeitung von Konflikten in Kommunen hilfreich ist, Angriffe gegen Amts- und Mandatspersonen zu verringern. Insofern kommt es darauf an, die Konfliktlinien innerhalb von Städten, Gemeinden oder größeren regionalen Einheiten frühzeitig zu erkennen, im Hinblick auf ihr Eskalations- und Gefährdungspotential zu bewerten und mit den Stakeholdern und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren der Kommune an Lösungen zu arbeiten. Bei den Konsultationen mit Experten und Expertinnen während der Workshops traf dieser Grundgedanke auf Zustimmung – allerdings gab es unterschiedliche Ansichten dazu, wie nachdrücklich ein solches Angebot an die Kommunen herangetragen werden sollte. Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass nicht Konflikte an Orten „konstruiert“ werden sollten, an denen die Akteure vor Ort keine Probleme sehen. Andererseits könne es Warnzeichen oder Frühindikatoren für Konflikte mit Eskalationspotential geben, die den Akteuren vor Ort verborgen bleiben. Ebenfalls sei es eher die Regel, dass im Hinblick auf Einschätzung von Konfliktpotentialen innerhalb der unterschiedlichen Stakeholder einer Kommune sehr unterschiedliche Meinungen bestehen.

    Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Autorenteam den Ausbau von Beratungsansätzen zur Früherkennung lokaler Konflikte und ihrem aktiven Management. Dabei sollten ausdrücklich Verfahren der „aufsuchenden Beratung“ eingesetzt werden. Damit ist gemeint, dass in persönlichen Gesprächen mit verschiedenen maßgeblichen Akteuren einer Kommune der Beratungsansatz vorgestellt wird und mit den jeweils individuellen Einschätzungen der kommunalen Situation abgeglichen wird. Inhaltlich sollten spezifische Beratungs-„Pakete“ für unterschiedliche Typen von Kommunen (Großstädte, Mittel- und Kleinstädte, Flächengemeinden/-ämter und kleine Dörfer) entwickelt werden, die beispielsweise folgende Elemente enthalten könnten:

    • Sensibilisierung für Konfliktlinien in den Kommunen, z. B. entlang von kontrovers diskutierten gesellschaftlichen Themen (etwa Wind-/Solarenergie, Kohleausstieg, Migration, Corona-Proteste) oder spezifischen lokalen Themen (z. B. Aus- oder Abbau von kommunalen Einrichtungen)
    • Sensibilisierung für lokale radikale Aktivitäten und Handelnde
    • Austausch von Erfahrungen aus anderen Kommunen oder Regionen
    • Impulse für spezifische Vorgehensweise vor Ort, z. B. Anregung lokaler Bündnisse oder von Verfahren der direkten Demokratie oderPartizipation
    • Vermittlung von Handwerkszeug für die Früherkennung (z. B. „heatmaps“) und das aktive Management von „Issues“, also kontrovers diskutierten lokalen Konfliktthemen sowie begleitender kommunaler Öffentlichkeitsarbeit
    • Hinweis auf individuelle oder für Gruppen geeignete Trainingsformate in diesem Kontext.

    Für die Realisierung des von den Autorinnen und Autoren favorisierten Ansatzes der aufsuchenden Beratung im Flächenland Brandenburg mit über 200 kommunalen Verwaltungseinheiten, die auch unabhängig von Anfragen aktiv kontaktiert werden sollten, bietet sich ein Multiplikatorverfahren an: In seinem Rahmen sollte zunächst ein Kernteam von Expertenpersonen aus Verfassungsschutz, Polizei und mobilen Beratungsteams das Angebot im Detail entwickeln. Dazu gehört beispielsweise die Definition eines prototypischen Anspracheverfahrens über mehrere Kanäle und Kontaktpartner oder -partnerinnen in den Kommunen. Anschließend könnte das Kernteam weitere Multiplikatoren trainieren, in der Durchführung der mobilen Beratung vor Ort qualifizieren und supervisieren.

    Eine weitere Aufgabe des in diesem Bereich tätigen Beratungsteams könnte es sein, für ein additiv vorstellbares Modellprojekt72 einige unterschiedliche Kommunen in Brandenburg zu identifizieren und zu gewinnen, die sich als Modellkommunen für die Prävention von radikalen Bestrebungen und die Vitalisierung der wehrhaften Demokratie gegen Gewalt, Gewaltandrohungen und sonstige Übergriffe, Einschüchterungen oder Bedrohungen eignen. Dabei könnte teilweise auf Erfahrungen aus dem Projekt des Bundesministeriums des Innern (BMI) „Modellkommune Deradikalisierung“ zurückgegriffen werden73. Die Auswertungen von Erfahrungen aus Modellprojekten, die im Unterschied dazu in Brandenburg verortet werden, verspricht einerseits Bundesland-spezifische Erkenntnisse in der Bewältigung der Herausforderungen von Angriffen gegen Amts- und Mandatspersonen und generiert andererseits die für eine breite gesellschaftliche Diskussion notwendigen konkreten Anlässe und Referenzpunkte im Land Brandenburg74.


    72 Als mögliches Thema eines solchen Modellprojekts könnte die Einrichtung der Rolle eines „Dialogbürgermeisters“ bzw. einer „Dialogbürgermeisterin“ sein, die im Interview mit dem hauptamtlichen Bürgermeister einer großen Stadt in Brandenburg auftauchte. Eine solche Rolle mit der symbolischen „Bürgermeister“-Bezeichnung könnte ähnlich wie die in einigen Großstädten eingesetzten „Nachtbürgermeister/innen“ für bestimmte Themen oder Zielgruppen bevorzugter Ansprechmöglichkeiten bieten.

    73 Allerdings wenig ausführlichen Informationen: Bundesministerium des Innern und für Heimat (2021): MoDeRad: Modellkommune Deradikalisierung. Abgerufen über https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/extremismus/deradikalisierung/moderad-modellkommune-deradikalisierung/moderad-artikel.html am 15.11.2021.

    74 Dabei können auch die Erfahrungen der „Lokalen Konfliktberatung“ des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung BIG Demos in mehreren Städten des Bundeslandes einfließen.

  • Politisch-gesellschaftliche Bildung – kommunal gedacht

    Der Zusammenhang zwischen einem Defizit an politisch-gesellschaftlicher Bildung in Teilen der Bevölkerung und Angriffen auf kommunale Amts- und Mandatspersonen erklärt sich aus Sicht einer ganzen Reihe von Expertenpersonen sowie in den qualitativen Interviews befragten Mandats- und (hier vor allem) Amtspersonen dadurch, dass Unverständnis für die Abläufe in einem demokratischen Rechtsstaat weit verbreitet sei – und zugenommen habe. Das führe bei einzelnen Bürgerinnen oder Bürgern oder ganzen Gruppen der Bevölkerung zu Frustration und Aggressivität, weil beispielsweise eigene Ansprüche oder Erwartungen nicht (oder nicht schnell genug) von Politik oder Verwaltung positiv beschieden oder realisiert würden. Hierzu trage auch die gewachsene Komplexität von Regelwerken in Verwaltung und Politik bei, die im Vergleich zu einer als „einfach“ und „durchschaubar“ erlebten Vergangenheit als fremd und bürgerfeindlich aufgefasst werde. Die Nährung einer fordernden Anspruchshaltung durch Medien und Konsumgesellschaft käme hinzu, sodass insgesamt ein fruchtbarer Boden für die Entladung dieser Melange aus Entfremdung von Politik und Verwaltung sowie allgemeiner Frustration in aggressiven verbalen oder gar körperlichen Attacken bereitet sei.

    In diesem Sinne konkretisiert einer der interviewten Stadtverordneten: „Es braucht frühe politische Bildung. Schulen müssen Politik und Demokratie in den Lehrplan einbauen, politische Bildung stärker in Schulen einbinden. Man muss das Thema Politik normalisieren und zeigen, dass Politik vor der eigenen Tür stattfindet. Das wird zu wenig angegangen. Das Lehrpersonal hat Angst, dabei etwas falsch zu machen und ist deswegen gehemmt; aus Angst vor Ärger sind Lehrer diesbezüglich unsicher. Dies ist der größte Hebel, um demokratische Ausbildung für die Zukunft zu leisten. Es liegt an einzelnen Lehrern, die das durchboxen und sich in Schulen engagieren. Sie organisieren beispielsweise am Wandertag Treffen mit Kommunalpolitikern. Es geht einfach darum, Kinder mit Politik in Berührung zu bringen, zu zeigen, es gibt nicht nur Merkel, sondern Politik fängt vor der eigenen Tür an, jeder kann mitmachen.“

    Es geht nicht darum, sich diese Diagnose in allen Details zu eigen zu machen. Aus Sicht des Autorenteams können Lösungsansätze für die Verringerung der Distanz zwischen „Expertenpersonen“ in Politik und Verwaltung und „Laien“ in der Bevölkerung keineswegs allein darin gesehen werden, dass von der Bürgerschaft mehr Sachkenntnis und Verständnis eingefordert wird. Vielmehr gehören aus Sicht der Autorinnen und Autoren zu den Erfolg versprechenden Lösungsansätzen auch alle Bemühungen von Verwaltung und Politik, Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen, eine bürgernahe Sprache zu nutzen und generell mit einem modernen Dienstleistungsverständnis Bürgerinnen und Bürger als Kundschaft zu verstehen. Zudem darf bezweifelt werden, dass direkt auf erwachsene Bürgerinnen und Bürger gerichtete Maßnahmen der klassischen politischen Bildung ihre Adressaten finden würden.

    Aus Sicht des Autorenteams sind aber gleichwohl Maßnahmen politisch-gesellschaftlicher Bildung sinnvoll, die sich in biografisch frühen und dementsprechend formativen Phasen an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wenden – sowohl innerhalb wie außerhalb des Schulsystems. Über den Mechanismus der retroaktiven Sozialisation ist zudem ein Einfluss auf die Erwachsenen im Umfeld der jungen Generation zu erwarten.

    Deshalb empfehlen wir, dass die Landesregierung sowohl in den Schulen75 wie auch in der außerschulischen Jugendarbeit Projekte der politischen Bildung anregt und fördert, die kommunale Themen ausdrücklich einbeziehen. Die Bandbreite solcher Projekte kann von Besuchen kommunaler Mandats- und Amtspersonen in Schulen, über die Organisation von Sitzungen des Kommunalparlaments in der Schule bis zur schulisch oder außerschulisch organisierten Teilnahme von (v. a. jungen) Bürgerinnen und Bürgern an Sitzungen der Kommunalparlamente reichen. Sinnvoll können v. a. auch Projekte sein, die die Entwicklung von Selbstwirksamkeit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern – etwa über die Initiierung oder Begleitung konkreter Veränderungsvorhaben in der Kommune76, im Kontext eines Jugendparlaments oder auch bei lokalhistorischen Projekten. Diese und weitere Projekte können mit unterschiedlichen Themen aus den Curricula der einzelnen Schulformen verbunden werden und in den schulischen Rahmenlehrplänen, der politischen Erwachsenenbildung und der Ausbildung pädagogischen Personals berücksichtigt werden.

    Die Entwicklung der Formate und ihre Realisierung kann bei den etablierten Institutionen der politischen Bildung, bei pädagogischen Bildungsträgern oder Organisationen der Jugendarbeit angesiedelt werden. Eine formative Evaluation der Projekte empfiehlt sich, um sie frühzeitig evidenzbezogen modifizieren zu können.

    Im Workshop über zivilgesellschaftliche Strategien zur Abwendung von Angriffen gegen kommunale Amts- und Mandatspersonen wurde der Ausbau der politischen Bildung in Brandenburg kontrovers diskutiert. Die Bandbreite der Meinungen reichte vom nachdrücklichen Hinweis auf die bereits bestehenden Angebote und ihre Erfolge bis zu ebenso deutlicher Argumentation, dass in einer Situation zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung das „Bessere der Feind des Guten“ sei und dass eine unvoreingenommene und konstruktive Modifikation und Ergänzung bestehender Formate und Angebot sinnvoll seien.

    Im Kontext und ergänzend zum Ausbau der Formate der politischen Bildung im skizzierten Sinne soll auch eine weitere Empfehlung (kurz) genannt werden: Eine landesweite Medienkampagne könnte Persönlichkeiten vorstellen, die als Vorbild für Zivilcourage und insbesondere das Eintreten gegen intolerante Angriffe wirken können. Hierbei sollte die Vorstellung der Einzelpersonen (und Initiativen) sowohl in den klassischen Medien wie auch über alle geeigneten Social-Media-Kanäle erfolgen – ein klassischer Fall für redaktionelle Öffentlichkeitsarbeit, die in Zusammenarbeit verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen verwirklicht werden könnte.


    75 Von Expertenpersonen mit langjähriger Erfahrung in der Jugendarbeit wurde darauf hingewiesen, dass Schule von zahlreichen Schülerinnen und Schülern als eher „undemokratischer Ort“ wahrgenommen wird, an dem Selbstwirksamkeit wenig erfahrbar wäre. Daraus ergibt sich für das Autorenteam zum einen die Empfehlung, durch demokratie-und partizipationsorientierte Projekte diesem entgegenzuwirken wie auch die gleichzeitige Empfehlung zur Nutzung außerschulischer Angebote.

    76 Dabei kann es sich z. B. um den Auf-, Um- oder Ausbau von kommunaler Infrastruktur handeln, die für die junge Generation eine hohe Bedeutung hat – vom Skateplatz über den Musik-Club bis zur auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmten Mobilitätsinfrastruktur.

    Der Zusammenhang zwischen einem Defizit an politisch-gesellschaftlicher Bildung in Teilen der Bevölkerung und Angriffen auf kommunale Amts- und Mandatspersonen erklärt sich aus Sicht einer ganzen Reihe von Expertenpersonen sowie in den qualitativen Interviews befragten Mandats- und (hier vor allem) Amtspersonen dadurch, dass Unverständnis für die Abläufe in einem demokratischen Rechtsstaat weit verbreitet sei – und zugenommen habe. Das führe bei einzelnen Bürgerinnen oder Bürgern oder ganzen Gruppen der Bevölkerung zu Frustration und Aggressivität, weil beispielsweise eigene Ansprüche oder Erwartungen nicht (oder nicht schnell genug) von Politik oder Verwaltung positiv beschieden oder realisiert würden. Hierzu trage auch die gewachsene Komplexität von Regelwerken in Verwaltung und Politik bei, die im Vergleich zu einer als „einfach“ und „durchschaubar“ erlebten Vergangenheit als fremd und bürgerfeindlich aufgefasst werde. Die Nährung einer fordernden Anspruchshaltung durch Medien und Konsumgesellschaft käme hinzu, sodass insgesamt ein fruchtbarer Boden für die Entladung dieser Melange aus Entfremdung von Politik und Verwaltung sowie allgemeiner Frustration in aggressiven verbalen oder gar körperlichen Attacken bereitet sei.

    In diesem Sinne konkretisiert einer der interviewten Stadtverordneten: „Es braucht frühe politische Bildung. Schulen müssen Politik und Demokratie in den Lehrplan einbauen, politische Bildung stärker in Schulen einbinden. Man muss das Thema Politik normalisieren und zeigen, dass Politik vor der eigenen Tür stattfindet. Das wird zu wenig angegangen. Das Lehrpersonal hat Angst, dabei etwas falsch zu machen und ist deswegen gehemmt; aus Angst vor Ärger sind Lehrer diesbezüglich unsicher. Dies ist der größte Hebel, um demokratische Ausbildung für die Zukunft zu leisten. Es liegt an einzelnen Lehrern, die das durchboxen und sich in Schulen engagieren. Sie organisieren beispielsweise am Wandertag Treffen mit Kommunalpolitikern. Es geht einfach darum, Kinder mit Politik in Berührung zu bringen, zu zeigen, es gibt nicht nur Merkel, sondern Politik fängt vor der eigenen Tür an, jeder kann mitmachen.“

    Es geht nicht darum, sich diese Diagnose in allen Details zu eigen zu machen. Aus Sicht des Autorenteams können Lösungsansätze für die Verringerung der Distanz zwischen „Expertenpersonen“ in Politik und Verwaltung und „Laien“ in der Bevölkerung keineswegs allein darin gesehen werden, dass von der Bürgerschaft mehr Sachkenntnis und Verständnis eingefordert wird. Vielmehr gehören aus Sicht der Autorinnen und Autoren zu den Erfolg versprechenden Lösungsansätzen auch alle Bemühungen von Verwaltung und Politik, Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen, eine bürgernahe Sprache zu nutzen und generell mit einem modernen Dienstleistungsverständnis Bürgerinnen und Bürger als Kundschaft zu verstehen. Zudem darf bezweifelt werden, dass direkt auf erwachsene Bürgerinnen und Bürger gerichtete Maßnahmen der klassischen politischen Bildung ihre Adressaten finden würden.

    Aus Sicht des Autorenteams sind aber gleichwohl Maßnahmen politisch-gesellschaftlicher Bildung sinnvoll, die sich in biografisch frühen und dementsprechend formativen Phasen an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wenden – sowohl innerhalb wie außerhalb des Schulsystems. Über den Mechanismus der retroaktiven Sozialisation ist zudem ein Einfluss auf die Erwachsenen im Umfeld der jungen Generation zu erwarten.

    Deshalb empfehlen wir, dass die Landesregierung sowohl in den Schulen75 wie auch in der außerschulischen Jugendarbeit Projekte der politischen Bildung anregt und fördert, die kommunale Themen ausdrücklich einbeziehen. Die Bandbreite solcher Projekte kann von Besuchen kommunaler Mandats- und Amtspersonen in Schulen, über die Organisation von Sitzungen des Kommunalparlaments in der Schule bis zur schulisch oder außerschulisch organisierten Teilnahme von (v. a. jungen) Bürgerinnen und Bürgern an Sitzungen der Kommunalparlamente reichen. Sinnvoll können v. a. auch Projekte sein, die die Entwicklung von Selbstwirksamkeit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen fördern – etwa über die Initiierung oder Begleitung konkreter Veränderungsvorhaben in der Kommune76, im Kontext eines Jugendparlaments oder auch bei lokalhistorischen Projekten. Diese und weitere Projekte können mit unterschiedlichen Themen aus den Curricula der einzelnen Schulformen verbunden werden und in den schulischen Rahmenlehrplänen, der politischen Erwachsenenbildung und der Ausbildung pädagogischen Personals berücksichtigt werden.

    Die Entwicklung der Formate und ihre Realisierung kann bei den etablierten Institutionen der politischen Bildung, bei pädagogischen Bildungsträgern oder Organisationen der Jugendarbeit angesiedelt werden. Eine formative Evaluation der Projekte empfiehlt sich, um sie frühzeitig evidenzbezogen modifizieren zu können.

    Im Workshop über zivilgesellschaftliche Strategien zur Abwendung von Angriffen gegen kommunale Amts- und Mandatspersonen wurde der Ausbau der politischen Bildung in Brandenburg kontrovers diskutiert. Die Bandbreite der Meinungen reichte vom nachdrücklichen Hinweis auf die bereits bestehenden Angebote und ihre Erfolge bis zu ebenso deutlicher Argumentation, dass in einer Situation zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung das „Bessere der Feind des Guten“ sei und dass eine unvoreingenommene und konstruktive Modifikation und Ergänzung bestehender Formate und Angebot sinnvoll seien.

    Im Kontext und ergänzend zum Ausbau der Formate der politischen Bildung im skizzierten Sinne soll auch eine weitere Empfehlung (kurz) genannt werden: Eine landesweite Medienkampagne könnte Persönlichkeiten vorstellen, die als Vorbild für Zivilcourage und insbesondere das Eintreten gegen intolerante Angriffe wirken können. Hierbei sollte die Vorstellung der Einzelpersonen (und Initiativen) sowohl in den klassischen Medien wie auch über alle geeigneten Social-Media-Kanäle erfolgen – ein klassischer Fall für redaktionelle Öffentlichkeitsarbeit, die in Zusammenarbeit verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Institutionen verwirklicht werden könnte.


    75 Von Expertenpersonen mit langjähriger Erfahrung in der Jugendarbeit wurde darauf hingewiesen, dass Schule von zahlreichen Schülerinnen und Schülern als eher „undemokratischer Ort“ wahrgenommen wird, an dem Selbstwirksamkeit wenig erfahrbar wäre. Daraus ergibt sich für das Autorenteam zum einen die Empfehlung, durch demokratie-und partizipationsorientierte Projekte diesem entgegenzuwirken wie auch die gleichzeitige Empfehlung zur Nutzung außerschulischer Angebote.

    76 Dabei kann es sich z. B. um den Auf-, Um- oder Ausbau von kommunaler Infrastruktur handeln, die für die junge Generation eine hohe Bedeutung hat – vom Skateplatz über den Musik-Club bis zur auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmten Mobilitätsinfrastruktur.

  • Stärkung zivilgesellschaftlich Handelnder

    Zahlreiche qualitative Interviews – sowohl mit Experten- wie auch mit Amts- und Mandatspersonen – geben Hinweise auf die positive Wirkung bereits etablierter Förder- und Beratungsinitiativen, beispielsweise im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“. Gleichzeitig wurde die noch geringe Reichweite in eher politikferne Bereiche der Zivilgesellschaft thematisiert – etwa im Hinblick auf Vereine in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen – von Musik- oder Heimatvereinen bis zu den Vereinen der freiwilligen Feuerwehren.

    Wenn das Autorenteam an dieser Stelle die Stärkung der Vereine in Brandenburg als indirekt wirkende zivilgesellschaftliche Strategie im Hinblick auf die in der Studie behandelten Angriffe gegen Amts- und Mandatspersonen empfiehlt, wird von der in der Literatur verbreiteten These77 ausgegangen, dass eine gut funktionierende Zivilgesellschaft mit einer vitalen Vereinslandschaft eine starke gesellschafts-integrierende Kraft entfalten kann. Dieser Effekt könnte sich über die Bindungskraft der Vereine ergeben, die bestenfalls dem „Abdriften“ einzelner Personen in radikale Szenen entgegenarbeitet. Ähnlich positive Effekte könnten sich über die Aktivierung der Selbstwirksamkeit ergeben, etwa über die gemeinsamen Erfolge im Verfolgen von freizeitbezogenen oder sozialen Zielen. Insofern verwundert es nicht, dass z. B. das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung in seinem Gutachten zu bürgerschaftlichem Engagement in ländlichen Regionen Brandenburgs78 deutliche Handlungsempfehlungen für die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegeben hat – auch vor dem Hintergrund einer Engagementquote, die in Brandenburg zwar eine positive Entwicklungstendenz aufweist, aber stets im Bundesländervergleich im unteren Drittel rangiert79.

    Bei den Empfehlungen des Instituts für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung geht es nicht um eine Politisierung der Vereinslandschaft – dazu gab es im Rahmen der Workshops mit Expertenpersonen im Rahmen dieser Studie ebenfalls warnende Stimmen. Vielmehr könne es über Qualifikation und Empowerment insbesondere der in der Leitung von Vereinen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen leitend tätigen Menschen gelingen, das Ehrenamt attraktiver zu gestalten und strukturelle Probleme des Ehrenamts (z. B. das Nachrücken von Leitungspersonal der Vereine in der alternden Gesellschaft Brandenburgs) zu adressieren. Deshalb empfiehlt das Autorenteam, die vorhandenen Initiativen zur Qualifikation und Empowerment von zivilgesellschaftlichen Akteuren in Brandenburg zu schärfen. Dabei geht es uns nicht nur um mehr Transparenz, welche Angebote bereits heute verfügbar sind. In der Fülle von Informationen, die gerade auf gesellschaftlich aktive Menschen einströmen, gehen solche spezifischen Hinweise viel zu leicht unter. Um es mit Marketing-Begriffen auszudrücken: Die Autorinnen und Autoren plädieren für ein „attraktives Packaging“ und „aktiven Vertrieb“. Das meint erstens eine Bündelung der Qualifizierungsangebote mit klarer Herausarbeitung des Nutzens, z. B. durch Anerkennung bestimmter Zertifikate oder Übernahme einiger Kosten80 und zweitens das Herantragen der Maßnahmen an die dafür in Frage kommenden Zielgruppen. Das kann durch aufsuchende Beratung erfolgen.

    Als Basis für den Ausbau einer solchen Beratungsstruktur kommen vorhandene Programme wie z. B. „Demokratie leben!“ oder „Zusammenhalt durch Teilhabe“ in Frage. Auch die Beratungsstrukturen für die Feuerwehrvereine und das Angebot des Landessportbundes wurden im Workshop mit Expertenpersonen in diesem Kontext positiv hervorgehoben. Insofern handelt es um eine Ausweitung und neue Akzentuierung existierender Strukturen: Wenn beispielsweise heute die Koordinatoren von „Demokratie leben!“ auf Ebene der kreisfreien Städte sich auf die Förderung von Aktivitäten in den Themenbereichen Migration, Diversität, Toleranz oder Demokratieförderung fokussieren, sollten sie ihre Aktivitäten (mit einer erweiterten Personalausstattung) künftig auch auf scheinbar unpolitische Teile der Zivilgesellschaft beziehen: Durch Beratung zu und Förderung von Angeboten für Empowerment und Qualifikation in den Leitungsstrukturen von Vereinen und Initiativen der oben genannten Bandbreite. Insofern wird hier der Einsatz (weiterer) mobiler Beratungs- und Koordinationskräfte für diese zusätzliche Aufgabenstellung empfohlen: Es geht um Fachkräfte, die explizit mit mehr als 2/3 ihrer Kapazität aufsuchende Beratung und Vernetzung praktizieren sollten – im Unterschied zu eher konzeptioneller oder administrativer Arbeit „am Schreibtisch“.

    Nicht zuletzt richtet sich die Zielsetzung dieser Empfehlung auch darauf, unterstützt von den kommunalen Verwaltungen vor Ort, den Dialog mit Vereinen und Initiativen zu intensivieren und auf diese Weise mögliche Bedarfe dieser zivilgesellschaftlichen Akteure (besser) kennen zu lernen sowie ggf. dem Risiko einer Entwicklung von demokratiefernen Mustern entgegenzuwirken. Inhaltlich können sich die Angebote für Qualifikation und Empowerment bewusst auf eine breite und vor allem nutzenorientierte Themenpalette beziehen, die über eine auch terminologisch auf Demokratiethemen verengte und dadurch für die Zielgruppe möglicherweise zunächst abstrakt erscheinende Auswahl deutlich hinausgehen:

    • † Arbeitsteilung im Verein
    • Nachwuchs gewinnen und Nachfolge regeln
    • Förderungen beantragen, Sponsoren und Mäzene gewinnen
    • Vereinsadministration einfach gemacht
    • Buchhaltungs- und Steuerfragen für Vereine
    • Führung und Kommunikation im Verein
    • Sitzungen effizient und wertschätzend leiten
    • Zielsetzung für den Verein
    • Kooperationen und Bündnisse bei Vereinen
    • Vereinsrecht: Mitgliederversammlungen
    • Marketing für Vereine

    Zielsetzung ist nicht, diese Angebote zur Stärkung des Ehrenamts selbst vorzuhalten, sondern sie konkret zu vermitteln und zu begleiten sowie auf Fördermöglichkeiten für Trainings und ähnliche Veranstaltungen hinzuweisen. Die Wichtigkeit solcher Angebote für Vereine und andere Gruppen der Zivilgesellschaft zeigt sich am Beispiel der Erfahrungen, die in den qualitativen Interviews berichtet wurden.

    So erzählte ein ehrenamtlicher Bürgermeister von körperlichen Bedrohungen im Kontakt mit einem aus seiner Sicht radikalisierten Feuerwehrverein: „Die Bürger bekommen von dem Konflikt nichts mit, außer als es bei der Feuerwehr richtig eskaliert ist, haben wir die Bevölkerung alarmiert. Das funktioniert auf dem Dorf. Zum Glück muss ich die Feuerwehr nicht oft treffen. Ich würde raten, sie nicht allein zu treffen, sondern seinen Freundeskreis, mit dem man sich sicher fühlt, einzubeziehen. So bekommt man unangenehme Leute in den Griff. Den Einfluss der Feuerwehr kann man aber nicht beschneiden. In Zukunft nie wieder mit vielen Feuerwehrleuten zusammensetzen, nur noch mit dem Leiter, um mit einem kleinen Treffen das Bedrohungspotenzial rauszunehmen.“

    Eine weitere Empfehlung für die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure zielt auf die Förderung von Austausch und Kommunikation zwischen den unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Akteuren einer Kommune oder einer Region. Damit wird eine Empfehlung der Expertenpersonen aufgenommen, die auf das Fehlen von „Kommunikationsräumen“ vor Ort hinwiesen, in denen sich die Akteure der Zivilgesellschaft begegnen und austauschen können. Diese Aufgabe wird in manchen Kommunen von Ehrenamtsbeauftragten oder Freiwilligenagenturen in den Kommunalverwaltungen übernommen. Allerdings gibt es im Flächenland Brandenburg große Regionen, in denen diese Strukturen nicht entwickelt sind. Hier könnte die Initiierung und Förderung für die Ausarbeitung lokaler Vernetzungskonzepte für Vereine und andere Organisationen der Zivilgesellschaft einen niedrigschwelligen Schritt zu mehr Transparenz, gegenseitiger Information und Vernetzung bieten. Die lokal unter Federführung der Kommunen zu erarbeitenden Lösungen können sich z. B. beziehen auf

    • Aufsetzen lokaler oder regionaler Seiten in Social Media zur Vernetzung der Aktiven in Vereinen und Organisationen der Zivilgesellschaft
    • Zusammenstellung eines Mail-Verteilers der Vereine und Organisationen einer Region
    • Regelmäßige Vernetzungstreffen für Aktive (z. B. Vorstellung der Qualifikations- und Empowermentsangebote)
    • Organisation eines „Fests der Vereine“, auf dem sich Vereine und Organisationen der Bevölkerung vorstellen können
    • Etc.

    77 Z. B. Kausmann, Corinna / Kelle, Nadiya / Simonson, Julia / Tesch-Römer, Clemens (2021): Freiwilliges Engagement - Bedeutung für Gesellschaft und Politik. In: Simonson, Julia / Kelle, Nadiya / Kausmann, Corinna / Tesch-Römer, Clemens (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland - Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. 276-281.

    78 von Blanckenburg, Christine / Metzner, Ina / Sobottka, Sarah (2018): Gutachten Bürgerschaftliches Engagement in ländlichen Regionen Brandenburgs. Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen. Abgerufen über http://docplayer.org/115178685-Gutachten-buergerschaftliches-engagement-in-laendlichen-regionen-brandenburgs.html am 30.12.2021.

    79 Ebd. S 27.

    80 Optionen: großzügigere Anerkennung als Bildungsurlaube; Fahrtkostenzuschüsse; Ansprache von Sponsoren oder Mäzen für Kostenübernahme auf Antrag etc. Alle Maßnahmen können gedeckelt oder befristet werden. Bereits durch geringe Beträge kann in diesem Wirkungsbereich viel erreicht werden – z. B. 20.000 Zuschüsse à 50 Euro.

    Zahlreiche qualitative Interviews – sowohl mit Experten- wie auch mit Amts- und Mandatspersonen – geben Hinweise auf die positive Wirkung bereits etablierter Förder- und Beratungsinitiativen, beispielsweise im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“. Gleichzeitig wurde die noch geringe Reichweite in eher politikferne Bereiche der Zivilgesellschaft thematisiert – etwa im Hinblick auf Vereine in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen – von Musik- oder Heimatvereinen bis zu den Vereinen der freiwilligen Feuerwehren.

    Wenn das Autorenteam an dieser Stelle die Stärkung der Vereine in Brandenburg als indirekt wirkende zivilgesellschaftliche Strategie im Hinblick auf die in der Studie behandelten Angriffe gegen Amts- und Mandatspersonen empfiehlt, wird von der in der Literatur verbreiteten These77 ausgegangen, dass eine gut funktionierende Zivilgesellschaft mit einer vitalen Vereinslandschaft eine starke gesellschafts-integrierende Kraft entfalten kann. Dieser Effekt könnte sich über die Bindungskraft der Vereine ergeben, die bestenfalls dem „Abdriften“ einzelner Personen in radikale Szenen entgegenarbeitet. Ähnlich positive Effekte könnten sich über die Aktivierung der Selbstwirksamkeit ergeben, etwa über die gemeinsamen Erfolge im Verfolgen von freizeitbezogenen oder sozialen Zielen. Insofern verwundert es nicht, dass z. B. das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung in seinem Gutachten zu bürgerschaftlichem Engagement in ländlichen Regionen Brandenburgs78 deutliche Handlungsempfehlungen für die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegeben hat – auch vor dem Hintergrund einer Engagementquote, die in Brandenburg zwar eine positive Entwicklungstendenz aufweist, aber stets im Bundesländervergleich im unteren Drittel rangiert79.

    Bei den Empfehlungen des Instituts für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung geht es nicht um eine Politisierung der Vereinslandschaft – dazu gab es im Rahmen der Workshops mit Expertenpersonen im Rahmen dieser Studie ebenfalls warnende Stimmen. Vielmehr könne es über Qualifikation und Empowerment insbesondere der in der Leitung von Vereinen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen leitend tätigen Menschen gelingen, das Ehrenamt attraktiver zu gestalten und strukturelle Probleme des Ehrenamts (z. B. das Nachrücken von Leitungspersonal der Vereine in der alternden Gesellschaft Brandenburgs) zu adressieren. Deshalb empfiehlt das Autorenteam, die vorhandenen Initiativen zur Qualifikation und Empowerment von zivilgesellschaftlichen Akteuren in Brandenburg zu schärfen. Dabei geht es uns nicht nur um mehr Transparenz, welche Angebote bereits heute verfügbar sind. In der Fülle von Informationen, die gerade auf gesellschaftlich aktive Menschen einströmen, gehen solche spezifischen Hinweise viel zu leicht unter. Um es mit Marketing-Begriffen auszudrücken: Die Autorinnen und Autoren plädieren für ein „attraktives Packaging“ und „aktiven Vertrieb“. Das meint erstens eine Bündelung der Qualifizierungsangebote mit klarer Herausarbeitung des Nutzens, z. B. durch Anerkennung bestimmter Zertifikate oder Übernahme einiger Kosten80 und zweitens das Herantragen der Maßnahmen an die dafür in Frage kommenden Zielgruppen. Das kann durch aufsuchende Beratung erfolgen.

    Als Basis für den Ausbau einer solchen Beratungsstruktur kommen vorhandene Programme wie z. B. „Demokratie leben!“ oder „Zusammenhalt durch Teilhabe“ in Frage. Auch die Beratungsstrukturen für die Feuerwehrvereine und das Angebot des Landessportbundes wurden im Workshop mit Expertenpersonen in diesem Kontext positiv hervorgehoben. Insofern handelt es um eine Ausweitung und neue Akzentuierung existierender Strukturen: Wenn beispielsweise heute die Koordinatoren von „Demokratie leben!“ auf Ebene der kreisfreien Städte sich auf die Förderung von Aktivitäten in den Themenbereichen Migration, Diversität, Toleranz oder Demokratieförderung fokussieren, sollten sie ihre Aktivitäten (mit einer erweiterten Personalausstattung) künftig auch auf scheinbar unpolitische Teile der Zivilgesellschaft beziehen: Durch Beratung zu und Förderung von Angeboten für Empowerment und Qualifikation in den Leitungsstrukturen von Vereinen und Initiativen der oben genannten Bandbreite. Insofern wird hier der Einsatz (weiterer) mobiler Beratungs- und Koordinationskräfte für diese zusätzliche Aufgabenstellung empfohlen: Es geht um Fachkräfte, die explizit mit mehr als 2/3 ihrer Kapazität aufsuchende Beratung und Vernetzung praktizieren sollten – im Unterschied zu eher konzeptioneller oder administrativer Arbeit „am Schreibtisch“.

    Nicht zuletzt richtet sich die Zielsetzung dieser Empfehlung auch darauf, unterstützt von den kommunalen Verwaltungen vor Ort, den Dialog mit Vereinen und Initiativen zu intensivieren und auf diese Weise mögliche Bedarfe dieser zivilgesellschaftlichen Akteure (besser) kennen zu lernen sowie ggf. dem Risiko einer Entwicklung von demokratiefernen Mustern entgegenzuwirken. Inhaltlich können sich die Angebote für Qualifikation und Empowerment bewusst auf eine breite und vor allem nutzenorientierte Themenpalette beziehen, die über eine auch terminologisch auf Demokratiethemen verengte und dadurch für die Zielgruppe möglicherweise zunächst abstrakt erscheinende Auswahl deutlich hinausgehen:

    • † Arbeitsteilung im Verein
    • Nachwuchs gewinnen und Nachfolge regeln
    • Förderungen beantragen, Sponsoren und Mäzene gewinnen
    • Vereinsadministration einfach gemacht
    • Buchhaltungs- und Steuerfragen für Vereine
    • Führung und Kommunikation im Verein
    • Sitzungen effizient und wertschätzend leiten
    • Zielsetzung für den Verein
    • Kooperationen und Bündnisse bei Vereinen
    • Vereinsrecht: Mitgliederversammlungen
    • Marketing für Vereine

    Zielsetzung ist nicht, diese Angebote zur Stärkung des Ehrenamts selbst vorzuhalten, sondern sie konkret zu vermitteln und zu begleiten sowie auf Fördermöglichkeiten für Trainings und ähnliche Veranstaltungen hinzuweisen. Die Wichtigkeit solcher Angebote für Vereine und andere Gruppen der Zivilgesellschaft zeigt sich am Beispiel der Erfahrungen, die in den qualitativen Interviews berichtet wurden.

    So erzählte ein ehrenamtlicher Bürgermeister von körperlichen Bedrohungen im Kontakt mit einem aus seiner Sicht radikalisierten Feuerwehrverein: „Die Bürger bekommen von dem Konflikt nichts mit, außer als es bei der Feuerwehr richtig eskaliert ist, haben wir die Bevölkerung alarmiert. Das funktioniert auf dem Dorf. Zum Glück muss ich die Feuerwehr nicht oft treffen. Ich würde raten, sie nicht allein zu treffen, sondern seinen Freundeskreis, mit dem man sich sicher fühlt, einzubeziehen. So bekommt man unangenehme Leute in den Griff. Den Einfluss der Feuerwehr kann man aber nicht beschneiden. In Zukunft nie wieder mit vielen Feuerwehrleuten zusammensetzen, nur noch mit dem Leiter, um mit einem kleinen Treffen das Bedrohungspotenzial rauszunehmen.“

    Eine weitere Empfehlung für die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure zielt auf die Förderung von Austausch und Kommunikation zwischen den unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Akteuren einer Kommune oder einer Region. Damit wird eine Empfehlung der Expertenpersonen aufgenommen, die auf das Fehlen von „Kommunikationsräumen“ vor Ort hinwiesen, in denen sich die Akteure der Zivilgesellschaft begegnen und austauschen können. Diese Aufgabe wird in manchen Kommunen von Ehrenamtsbeauftragten oder Freiwilligenagenturen in den Kommunalverwaltungen übernommen. Allerdings gibt es im Flächenland Brandenburg große Regionen, in denen diese Strukturen nicht entwickelt sind. Hier könnte die Initiierung und Förderung für die Ausarbeitung lokaler Vernetzungskonzepte für Vereine und andere Organisationen der Zivilgesellschaft einen niedrigschwelligen Schritt zu mehr Transparenz, gegenseitiger Information und Vernetzung bieten. Die lokal unter Federführung der Kommunen zu erarbeitenden Lösungen können sich z. B. beziehen auf

    • Aufsetzen lokaler oder regionaler Seiten in Social Media zur Vernetzung der Aktiven in Vereinen und Organisationen der Zivilgesellschaft
    • Zusammenstellung eines Mail-Verteilers der Vereine und Organisationen einer Region
    • Regelmäßige Vernetzungstreffen für Aktive (z. B. Vorstellung der Qualifikations- und Empowermentsangebote)
    • Organisation eines „Fests der Vereine“, auf dem sich Vereine und Organisationen der Bevölkerung vorstellen können
    • Etc.

    77 Z. B. Kausmann, Corinna / Kelle, Nadiya / Simonson, Julia / Tesch-Römer, Clemens (2021): Freiwilliges Engagement - Bedeutung für Gesellschaft und Politik. In: Simonson, Julia / Kelle, Nadiya / Kausmann, Corinna / Tesch-Römer, Clemens (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland - Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. 276-281.

    78 von Blanckenburg, Christine / Metzner, Ina / Sobottka, Sarah (2018): Gutachten Bürgerschaftliches Engagement in ländlichen Regionen Brandenburgs. Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen. Abgerufen über http://docplayer.org/115178685-Gutachten-buergerschaftliches-engagement-in-laendlichen-regionen-brandenburgs.html am 30.12.2021.

    79 Ebd. S 27.

    80 Optionen: großzügigere Anerkennung als Bildungsurlaube; Fahrtkostenzuschüsse; Ansprache von Sponsoren oder Mäzen für Kostenübernahme auf Antrag etc. Alle Maßnahmen können gedeckelt oder befristet werden. Bereits durch geringe Beträge kann in diesem Wirkungsbereich viel erreicht werden – z. B. 20.000 Zuschüsse à 50 Euro.

  • Steigerung der Attraktivität des kommunalpolitischen Ehrenamts

    Die Empfehlungen für dieses Handlungsfeld überschneiden sich teilweise mit Überlegungen der vorstehenden Absätze. Sie fokussieren darauf, das politische Ehrenamt attraktiver zu machen und speziell den Frauenanteil in kommunalen Parlamenten zu steigern. Hintergrund ist die Übertragung der im Management von Wirtschaftsunternehmen zum (durch Studien81 nachgewiesenen) Allgemeinplatz gewordenen Erfahrung, dass sich gemischte Teams und insbesondere ein hoher Frauenanteil in Führungspositionen positiv auf die Leistung der Unternehmen auswirken. Im Hinblick auf die in dieser Studie behandelten Angriffe gegen kommunale Amts- und Mandatspersonen ist insofern davon auszugehen, dass ein höherer Frauenanteil über die veränderte Diskussionskultur und Kommunikationsstile positive Auswirkungen haben dürfte.

    Deshalb empfiehlt das Autorenteam, dass die Landesregierung gemeinsam mit Verbänden und Institutionen der politischen Bildung eine Initiative zur Förderung des Engagements von Frauen in der Kommunalpolitik anregt. Das Ziel ist die Steigerung des noch nicht ausgeschöpften quantitativen und qualitativen Potentials von Frauen in ehrenamtlichen kommunalpolitischen Rollen. Dabei sollte eine solche Initiative weit über eine Informations- und Werbekampagne hinausgehen (diese aber durchaus einschließen), beispielsweise durch die Einführung von Regeln (z. B. Vergütung von Verdienstausfällen oder Kinderbetreuungskosten) oder die Förderung von Initiativen, die das Engagement von Frauen erleichtern (z. B. familienfreundliche Terminierung etc.).

    Die Aktivitäten sollten die besondere Herausstellung des Beispiels von vorbildlichen Kommunen oder Personen in diesem Bereich einschließen. Die zeitliche Planung sollte so angelegt werden, dass rechtzeitig zur Suche bzw. Aufstellung von Kandidatinnen für die kommende Kommunalwahl Ergebnisse zu beobachten sein können.

    Eine weitere, eher grundsätzliche Überlegung zur Förderung der Attraktivität des Ehrenamts sollte ebenfalls geprüft werden: Die landespolitische Unterstützung von Initiativen, die mehr „Rentenpunkte“ oder andere Vorteile im Kontext von Versteuerung und Rentenversicherung für Menschen mit einem ehrenamtlichen Engagement fordern. Diese Thematik ist allerdings überaus komplex, sodass die Empfehlung des Autorenteams auf die Ausarbeitung eines schlüssigen Konzepts hierfür zielt. Es sollte die Erfahrungen aus bereits vorhandenen, unterschiedlichen Regelungen in einzelnen Bundesländern sowie ggf. aus international vergleichbaren Ländern aufgreifen.


    81 Z. B. International Labour Organization (ILO) (2019): The business case for change. Women in Business and Management. Abgerufen über https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_700953.pdf am 25.11.2021.

    Die Empfehlungen für dieses Handlungsfeld überschneiden sich teilweise mit Überlegungen der vorstehenden Absätze. Sie fokussieren darauf, das politische Ehrenamt attraktiver zu machen und speziell den Frauenanteil in kommunalen Parlamenten zu steigern. Hintergrund ist die Übertragung der im Management von Wirtschaftsunternehmen zum (durch Studien81 nachgewiesenen) Allgemeinplatz gewordenen Erfahrung, dass sich gemischte Teams und insbesondere ein hoher Frauenanteil in Führungspositionen positiv auf die Leistung der Unternehmen auswirken. Im Hinblick auf die in dieser Studie behandelten Angriffe gegen kommunale Amts- und Mandatspersonen ist insofern davon auszugehen, dass ein höherer Frauenanteil über die veränderte Diskussionskultur und Kommunikationsstile positive Auswirkungen haben dürfte.

    Deshalb empfiehlt das Autorenteam, dass die Landesregierung gemeinsam mit Verbänden und Institutionen der politischen Bildung eine Initiative zur Förderung des Engagements von Frauen in der Kommunalpolitik anregt. Das Ziel ist die Steigerung des noch nicht ausgeschöpften quantitativen und qualitativen Potentials von Frauen in ehrenamtlichen kommunalpolitischen Rollen. Dabei sollte eine solche Initiative weit über eine Informations- und Werbekampagne hinausgehen (diese aber durchaus einschließen), beispielsweise durch die Einführung von Regeln (z. B. Vergütung von Verdienstausfällen oder Kinderbetreuungskosten) oder die Förderung von Initiativen, die das Engagement von Frauen erleichtern (z. B. familienfreundliche Terminierung etc.).

    Die Aktivitäten sollten die besondere Herausstellung des Beispiels von vorbildlichen Kommunen oder Personen in diesem Bereich einschließen. Die zeitliche Planung sollte so angelegt werden, dass rechtzeitig zur Suche bzw. Aufstellung von Kandidatinnen für die kommende Kommunalwahl Ergebnisse zu beobachten sein können.

    Eine weitere, eher grundsätzliche Überlegung zur Förderung der Attraktivität des Ehrenamts sollte ebenfalls geprüft werden: Die landespolitische Unterstützung von Initiativen, die mehr „Rentenpunkte“ oder andere Vorteile im Kontext von Versteuerung und Rentenversicherung für Menschen mit einem ehrenamtlichen Engagement fordern. Diese Thematik ist allerdings überaus komplex, sodass die Empfehlung des Autorenteams auf die Ausarbeitung eines schlüssigen Konzepts hierfür zielt. Es sollte die Erfahrungen aus bereits vorhandenen, unterschiedlichen Regelungen in einzelnen Bundesländern sowie ggf. aus international vergleichbaren Ländern aufgreifen.


    81 Z. B. International Labour Organization (ILO) (2019): The business case for change. Women in Business and Management. Abgerufen über https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_700953.pdf am 25.11.2021.